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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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Steine, sondern ehrwürdige Trauerweiden. Ging es darum, einen Verirrten vorzuwarnen, verfehlten sie ihr Ziel nicht. Die Männer auf den Schiffen betrachteten angsterfüllt ihre Früchte. Orks, Menschen und Rassen, von denen sie noch nie gehört hatten, hingen mit den Häuptern nach unten an ihren Kronen. Die kleinen, gefiederten Leiber von Raben und Krähen waren auszumachen. Gelegentlich hackte ein Schnabel nach einem Auge oder in eine halb verweste Wunde. Etliche Bäume waren auf diese Weise geschmückt. Die andere Seite des Seitenarms musste die Grenze zum Stammesgebiet der Gorka-Orks markieren. Immer wieder waren Pfähle auszumachen, auf denen Köpfe steckten. 
    Sedain trat neben Kraeh, in der Hand eine Schüssel Porridge, aus der er gelegentlich einen Löffel zum Mund führte. Eine seiner Armbrüste war gespannt. »Die meisten stammen von Frauen«, sagte er den Blick auf die linke, die orkische Seite gerichtet. 
    Kraeh atmete tief durch. Zwischen ihnen bestand Redebedarf, doch er wusste nicht, wo er beginnen sollte. Er war sich selbst nicht sicher, was sich geändert hatte. Umso erleichterter war er, als sein Freund ihm die Last abnahm. 
    Er lachte kurz auf. »Du bist ein unverbesserlicher Weichling, Kraeh«, stieß er hervor in der Art, wie er etwas zu sagen pflegte, das ihm schwerfiel. »Du hängst an den Kindern, obgleich du weißt, welche Dummheit das bedeutet und welch Unheil es nach sich ziehen wird, wenn du dich auf die Seite der Schwachen stellst.« 
    Kraeh wollte einhaken, aber Sedain fuhr unbeirrt fort. 
    »Dir ist klar, ich teile deine Sentimentalität nicht, ebenso solltest du mittlerweile wissen, dass ich immer an deiner Seite kämpfen werde. Also …« Er musste sich sichtlich überwinden, »… bringen wir diese Königsbrut in Sicherheit, holen jenes Steinchen und danach ziehen wir meinetwegen gegen die ganze Welt in den Krieg. Wir machen es zusammen.« 
    Es war heraus und beide schwiegen; Sedain ahnte nicht, welch prophetischen Gehalt seine Äußerung hatte. Der Hauptmast knarrte, als ein Windstoß das Tuch der Segel spannte. 
    »Danke«, erwiderte Kraeh. 
    Noch in den frühen Morgenstunden standen sie in Gedanken versunken nebeneinander da. Der im Unterdeck dösende Rhoderik vermuteten sie bei den Kindern. Übernächtigt sah auch die Mehrzahl der Soldaten auf die nicht enden wollenden Zeichen der Abschreckung, die zu beiden Seiten ihren Weg begleiteten. Der Kapitän spielte mit einigen seiner Männer schon seit Stunden ein Würfelspiel, wohl um sie und sich selbst abzulenken. 
    Gerade wollte Sedain seinen Fellmantel gegen die einziehende Kälte holen, als ein Blick nach vorne seine Aufmerksamkeit erregte. 
    Der Fluss teilte sich. Auch Thorwik hatte es bemerkt und ließ von den Würfeln ab. Einige Augenblicke lang begutachtete er die beiden Wege, ihm war diese Stelle ebenso unbekannt wie allen anderen. Berbast hatte offenbar Anweisung gegeben, dem linken Arm zu folgen, und so schlug die Fraja denselben Kurs ein. 
    »Besser die Orks als die Hexen«, gesellte sich der Kapitän zu den zwei Kriegern. »Da stimme ich zu.« 
    »Wie die Scheiße nach Farben zu sortieren«, grummelte Sedain und spannte seine zweite Armbrust. 
    Zwei Stunden trieben gleichmäßiger Ruderschlag und Wind sie voran, bis Alarmrufe von vorne zu hören waren. Kurz darauf sahen sie, worauf sie sich bezogen. Ein aus dicken Baumstämmen bestehender Steg schnitt ihnen den Weg ab. Schon stürmten massige Körper darauf zu. Schwarze Haare auf grüner Haut, wo sie durch zusammengestückelte Rüstteile lugte, füllten die Szenerie vor ihnen. 
    »Orks!«, schrie der Kapitän. »Holt die Speerschleuder!« Auf einmal war das ganze Deck in Bewegung. Die Soldaten nahmen mit gezogenen Waffen geduckt hinter der Reling Aufstellung. Wenige Momente waren verstrichen – schon waren beide Schiffe kampfbereit. 
    Die Idee eines Rückzuges erstarb im Keim, als hinter ihnen mächtige Bäume quer über das Wasser platschten; aus dem Unterholz drangen quietschende Geräusche, die das Heranschaffen von schwerem Kriegsgerät verrieten. 
    Rhoderik war mit blanker Klinge neben sie geeilt. »Eine Falle«, stellte er fest. 
    »Scharfsinnig beobachtet.« Ein Grinsen breitete sich auf Sedains Gesicht aus. »Endlich wieder Spaß!« 
    Der Ältere besah die Horden, die sich vor, hinter und neben ihnen sammelten. Es waren Hunderte. Doch noch flog kein Pfeil, keiner der schweren Steine, die auf den Körben der Katapulte lagen, zerriss die klare

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