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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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rollte ihre Wange hinab. 
     
    Um Brisak herum war der Fluss begradigt gewesen, ein geschwind dahinfließender Strom, bald schon verästelte er sich jedoch und wurde gediegener. Acht Mann zu jeder Seite des Schiffes mühten sich, den gebrüllten Befehlen des Kapitäns zu gehorchen. Ein Fehler und sie könnten an Felsen stoßen oder in zu seichtes Gewässer geraten. Die Nebenarme des Rheins waren tückisch und sie wären nicht die Ersten, die sich gestrandet auf einer sumpfigen Insel wiederfänden. Doch der Kapitän verstand sein Handwerk. Der alte Haudegen, von dem Gerüchte kursierten, er sei früher unter Totenkopfflagge gesegelt, war Kraeh von Anfang an sympathisch gewesen. Ein gestutzter Kinnbart unterstrich die wettergegerbten Züge seines rauen Gesichts, während er auf dem unteren der beiden Ausgucke die Richtung angab. Der Krieger hatte selbst außergewöhnlich gute Augen, wunderte sich daher umso mehr, wie der Kapitän im matten und verhangenen Mondschein überhaupt etwas sehen konnte. Oft streiften sie weit in den Fluss ragende Äste, doch nie setzten sie auf Grund auf. Immer wieder verloren sie Berbasts Schiff aus der Sicht, um es kurz darauf in eine Richtung, die Kraeh für unbefahrbar gehalten hätte, abbiegen zu sehen. 
    Kraeh saß am Bug und genoss die bis zum Morgengrauen dauernde gespenstische Fahrt. Sedain döste neben den Kindern und Rhoderik in der für die Nacht angebotenen Kapitänskajüte. Die zwanzig Krieger, die Kraeh unterstanden, schliefen im Kielraum, während die restliche Mannschaft sich mit dem Rudern ablöste. Insgesamt fünfzig Seelen befanden sich auf dem Zweimaster, auf direktem Weg zur Hel, feixte Kraeh still für sich und wurde jäh von seinem Scherz eingeholt. 
    Im ersten Licht des neuen Tages schälten sich Gestalten aus der Uferböschung. Sie versuchten, sich im Schutz der auf den sumpfigen Untergrund eingestellten Weiden, Birken und Sträuchern zu bewegen, was die Statur ihrer Körper aber nur schwerlich zuließ. Orks, schoss es ihm durch den Kopf. 
    Ohne seine Entdeckung preiszugeben, schlenderte er, ein Gähnen vorschützend, unter den Hauptmast. In einem lauten Flüstern, das der Wind forttragen sollte, bat er Thorwik, den Kapitän, von seinem Posten. Dieser kam dem Gesuch nach. Schon seit einiger Zeit war der Fluss ruhiger geworden, die Matrosen hatten das Rudern eingestellt, allein vom Wind in den Segeln getragen glitten sie über das dunkle Wasser. 
    Mit einem Satz war er unten. »Sie folgen uns seit Mitternacht. Blutschilde, dreißig bis fünfzig Äxte, schätze ich. Aber sie sind sicher nur die Vorhut.« 
    Kraeh nickte. »Worauf warten sie?« 
    »Auf die Pappelkreuzung, dort wird der Fluss schmal«, sagte der Kapitän ruhig und fügte hinzu: »Bei gleich bleibender Geschwindigkeit müssten wir sie morgen Abend erreicht haben.« 
    Sedain war aus dem Schiffsbauch erschienen, warf einen kurzen Blick zum Ufer und trat dann neben sie. »Eine Rotte Wildschweine versteht sich besser aufs Anschleichen«, warf er trocken ein. 
    Kraeh ging nicht darauf ein, sondern fragte, ob es einen anderen Weg gebe. 
    »Aye«, bestätigte Thorwik, »aber der würde uns gefährlich nahe an die Drudenwälder führen. Und davor durch das Stammesgebiet von Gorka.« 
    Der Name des orkischen Häuptlings war wohlbekannt. Berichten zufolge hatte er seinen eigenen Vater erschlagen und galt als der mächtigste Kriegsherr unter den Stämmen. 
    »Wie verstehen sich Blutschilde und Gorkas?«, wollte Kraeh wissen. 
    Thorwik erzählte von den Fehden, die die Orks unter sich austrugen, und dem weitestgehend erfolgreichen Versuch Gorkas, die alten Feindschaften, meist mithilfe seiner Zweihandaxt, beizulegen. Die Blutschilde allerdings, unter der Führung Barks des Einarmigen, stellten sich immer noch gegen einen Großhäuptling. »Der Alte hat zwar nur noch einen Arm, dafür aber alle seine Sinne beisammen. Er vermeidet jedes Treffen mit Gorka, damit dieser keine Gelegenheit bekommt, ihn zum Zweikampf aufzufordern, den er nicht ablehnen könnte, ohne sein Gesicht und damit das Ansehen seiner Krieger einzubüßen.« 
    »Dann stellen wir ihn doch vor die Wahl«, entschied Kraeh. 
    Der Kapitän wirkte wenig erfreut, ging aber sofort zum Steuermann, um die neuen Instruktionen weiterzugeben. 
    »Behalte sie im Auge«, sagte Kraeh zu Sedain und verschwand unter Bord. Kurz darauf kam er mit Rhoderik, einen geborgten Langbogen haltend, zurück. 
    »Kannst du schreiben?«, fragte er den alten Krieger

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