Rabenflüstern (German Edition)
Der Stiel der Axt traf ihn heftig und riss ihn abermals von den Beinen, doch im gleichen Moment zerschmetterte der Knauf seines Schwertes den Kiefer des Kontrahenten. Das knackende Geräusch gebrochener Knochen musste in seinem Kopf nachhallen, wie er benommen zurücktaumelte. Kraeh hatte sich blitzschnell wieder aufgerichtet und setzte Gorka nun mit schnellen Hieben und Stichen seinerseits hart zu. Der Krieger befand sich in Raserei. Er hatte seinen Gegner an den Rand des Floßes gedrängt, wo jener strauchelnd Parade um Parade führte. Durch Kraehs Kampftechnik, die den schweren Knauf seines Anderthalbhänders voll ausnützte, blieb das Schwert immer im Schwung. Einen von unten geführten Streich erkannte Gorka schließlich zu spät, versuchte, ihn noch mit dem Schaft seiner Waffe abzulenken, doch Kraehs Klinge ließ das Holz splittern und fraß sich durch das Eisen der Brustplatte in sein Fleisch. Blind vor Schmerz und Wut holte Gorka mit dem aus, was von der Axt noch übrig war. Doch Kraeh packte ihn am Arm, ehe die Axt ihn erreichen konnte, und gab ihm einen Kopfstoß, der ihn rücklings ins Wasser befördert hätte. Doch er hielt den Ork an den Haaren fest, zog ihn ruckartig zu sich und stellte ihm ein Bein. Gorka fiel hart auf den Boden. Bäuchlings lag er danieder; seine Muskeln gehorchten ihm nicht mehr. Ausgeliefert, die Arme und Beine von sich gestreckt, wartete er auf den Todesstoß. Kraeh war über ihn getreten und richtete die Schwertspitze auf den grünen Nacken. Mit aller Macht rammte er den Schaft neben den am Boden liegenden in die breiten Planken.
Die Zurufe waren verstummt. Stille hatte sich über dem Schauplatz ausgebreitet.
Sedain räusperte sich; er hatte während der ganzen Zeit nicht einmal aufgeschaut.
»Na«, ging er fahrig Rhoderik an, »was habe ich gesagt?«
Langsam gewannen die Orks ihre Fassung wieder. Der Schamane klagte laut die Götter an, schrie nach dem kleinen Boot, das sofort bemannt wurde und auf den verletzten Häuptling zusteuerte. Auch der Orkhauptmann, der die Gefangene hielt, war unter ihnen. Kurz bevor sie ihn erreichten, befahl Kraeh ihnen mit einer Handbewegung zu stoppen.
Er drehte den massigen Leib auf den Rücken. Dann spritzte er etwas Wasser in das anschwellende Gesicht. Schwer keuchend brachte Gorka sich in eine halbwegs aufrechte Sitzposition.
»Du hast mich geschlagen«, brachte er mühsam hervor.
»Aye.«
Der Häuptling nickte. »Ich stehe zu meinem Wort«, beteuerte er, wobei er seinen zertrümmerten Unterkiefer halten musste. Das Sprechen bereitete ihm sichtbar Schmerzen.
»Ich stehe in deiner Schuld.«
»Aye«, sagte Kraeh wieder und ließ einige Momente verstreichen. Sein Blick fiel auf die gefesselte Frau und ihm fiel das gestrige Gespräch über eine Amme ein.
»Für deinen Kopf verlange ich nichts weiter als freie Fahrt wie versprochen und …« Er spannte ihn ein wenig auf die Folter. »… das Weib.«
Gorka rang sich ein Lächeln ab.
»Gern«, gab er rülpsend von sich. »Sie gehört dir.«
Es dauerte eine Weile, bis alles geregelt war. Die Frau wurde übergeben; Gorka stellte zwei Männer ab, die sie und Kraeh zur Fraja stakten. Als sich Floß und Ruderboot trennten, sprach der Schamane den siegreichen Krieger an. »Der Häuptling möchte wissen, wie du heißt.«
Er wandte sich noch einmal um. »Mein Name ist Kraeh.« Gorka schenkte ihm zum Abschied ein schiefes Lächeln.
Erst an Deck des Schiffes, wo er mit offenen Armen empfangen wurde, gönnte er es sich, seine Schwäche zu zeigen, und stützte sich, schwer atmend und die schmerzende Brust haltend, an den Mast. Sedain gab ihm, die Fremde nicht beachtend, einen freundschaftlichen Klaps. »Warum hat das so lange gedauert, Rhoderik hat sich schon Sorgen gemacht«, sagte er süffisant.
Kraeh betastete seine Rippen und stöhnte. Wie so häufig war er sich nicht sicher, ob die Gelassenheit seines Freundes gespielt war. »Diesmal wäre es um ein Haar schiefgegangen«, presste er hervor. »Ich habe keine Ahnung, woran es lag, aber …«
»Ich schon«, sagte die Gefangene, immer noch ihren Halsring tragend, wenig mitleidig. »Er ist besser als du«, fügte sie trocken hinzu.
Die beiden Freunde musterten sie verwirrt ob dieser Dreistigkeit. In völliger Ruhe saß sie im Schneidersitz vor ihnen. Ihre langen, schwarzen Haare waren zerzaust und ihre Kleidung ein vor Dreck strotzender Fetzen, aber in ihrer Haltung zeigte sich nicht die mindeste Regung von
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