Rabenflüstern (German Edition)
Heerschar von Fliegen nahen, rauscht in Kraehs Ohren. Sich geschmeidig drehend, sucht der Engel die Umgebung ab, in seinen Augen zeigt sich Bedrängnis.
Das Summen wächst an, steigert sich zu einem Getöse gleich dem eines brausenden Wasserfalls. »Eile, junger Krieger«, ruft der Pan noch, »ER ist schon hier. Finde den Styx.«
Dann wird es schwarz.
Als Kraeh die Augen wieder öffnete, wusste er nicht, wo er sich befand. Die Frau, deren Namen er nun kannte, ruhte in zusammengekauerter Haltung vor ihm und langsam schien sie zu erwachen. Sie stöhnte, als sie sich mit den Händen auf dem Waldboden aufsetzte..
In seinem Schoß lag die hölzerne Scheide, doch die Lichtung und der Stein, an dem er eben noch gelehnt hatte, waren verschwunden. Hilferufe waren zu hören. Seine Gelenke knackten, während er sich hochkämpfte. Er zog eine der Klingen eine Handbreit heraus. Der Griff fühlte sich sonderbar vertraut an, so als hätten seine Finger ihn schon einmal umschlossen. Er schob den Gedanken beiseite. Es war ausgeschlossen, dass er solch eine außergewöhnliche Schmiedearbeit vergessen hatte. Ein einziges eingraviertes Schriftzeichen flammte wie schwarzes Feuer auf, züngelte und leckte am kalten Stahl.
***
»Lou, also«, sagte Kraeh missmutig, während er schleunigst versuchte, sich die Knochen einzurenken. Er fühlte sich wie gerädert.
Sie antwortete nicht, sondern legte einen dünnen Zeigefinger an die Lippen und spitzte die Ohren. Jetzt hörte auch der Krieger ein fernes Rufen. Lou sprang auf, Kraeh folgte. Ein tierisches Kreischen erhob sich. Im Laufschritt hasteten sie nebeneinander durch lichten Wald.
»Gib mir eines deiner Schwerter«, forderte sie. Der Krieger stieß einen Laut aus, der ein Lachen sein sollte. Er trug gerade drei Klingen und sie keine; das schien ihm in Anbetracht der Umstände nur zu fair. »Damit du damit auf mich losgehen kannst?« Erst als er seine Atmung wieder unter Kontrolle hatte, fragte er: »Du wolltest mich töten? Wie hattest du das eigentlich vor? Mit einer Schlange? Das ist doch wohl ein Witz!«
Lou hatte nicht die geringste Ahnung, wie er sie durchschaut hatte, aber das war gerade auch nicht wichtig. »Ihr Biss hätte dich kaum sterben lassen.« Katzenhaft balancierte sie über einen umgefallenen Baumstamm. »Ich hätte mich an dich rangemacht. Ihr Männer seid doch alle gleich; wenn sich die Gelegenheit ergibt, rutscht euer Verstand in die Lenden.« Sie musste laut sprechen, da Kraeh die Wasserlache umging, über die der Stamm führte. Wieder nebeneinander, gab er gereizt zurück: »Und du glaubst, ich würde mit einer dahergelaufenen …« Er stockte. Sie hatten den Waldrand erreicht und sahen auf das Feld neben der ausrangierten Mühle. Keuchend blieben sie stehen. Es dauerte einen Moment, bis sie das Geschehen, das sich vor ihren Augen auftat, richtig zu erfassen vermochten.
Sedain und Rhoderik hatten sich vor den Kindern aufgebaut, hieben abwechselnd mit Schwert und Axt auf eine riesenhafte Schreckenskreatur ein. Die Höllenbrut kreischte und schrie auf, wann immer der Stahl sie traf, wich aber nicht zurück. Sie hackte und schnappte mit ihrem deformierten Kiefer nach den beiden Kriegern. Zwei dieser Bestien kreisten, mit dunklen Schwingen Luft schlagend, am Nachthimmel. Eine saß auf der alten Mühle und suchte durch boshafte Augen nach einem Opfer. Sie war noch größer als die anderen. Kraeh vermutete in ihr den Anführer. Zwei andere befanden sich ebenfalls im Nahkampf. Eine Handvoll Soldaten hielt sie in Schach. Mindestens fünf der Männer aus Brisak waren schon gefallen. Ein Dorfbewohner rannte über das Feld, ein Bündel Waffen unter den Armen, und versuchte, diejenigen zu erreichen, die sich mit Dolchen oder bloßen Fäusten den vielbeinigen Bestien todesmutig entgegenstellten. Jene auf der Mühle schoss herab und trennte ihm im Sturzflug mit einer Klaue den Kopf von den Schultern. Blut spritzte.
Ohne ein Wort riss Kraeh die Zwillingsklingen heraus und warf eine Lou hinüber. Sie fing sie, stieß einen Schlachtruf aus und rannte in Richtung der bedrängten Kinder. Auch Kraeh rannte los, allerdings in der Absicht, dem Biest in den Rücken zu fallen.
Sedain erholte sich von einem Flügelschlag, der ihn am Kopf getroffen hatte, und betrachtete das ungeordnete Szenario. Rhoderik gab ihm mit schnellen Stichen die Zeit dazu.
Überall um sie herum wurde gekämpft. Zwei aus Thorwiks Mannschaft hatten sich an den Waffen
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