Rabenflüstern (German Edition)
bedient, die der unglückliche Dorfbewohner getragen hatte und die nun verstreut neben ihm lagen. Mit Pfeil und Bogen attackierten sie die kreisenden Ungeheuer. Ein Pfeil fand sein Ziel. Und kurz setzte der Flügelschlag aus, doch dann fing das Untier sich wieder und stürzte nun seinerseits auf den Schützen hinab. Es hatte den Anschein, dass die Klingen und Pfeile zwar Schmerzen verursachten, die Kreaturen aber nicht zu töten vermochten. Der alte Krieger wurde zu Boden geworfen. Schützend hob er das Schwert über sich, um dessen Klinge sich die Lefzen der Bestie schlossen, gegen die er und Sedain schon eine Weile gekämpft hatten. Sie schüttelte den Kopf und das Schwert flog in hohem Bogen durch die Luft. Sedain, dem immer noch schwindelte, stürmte vor und hieb ihr mit aller Kraft die Axt in die Seite. Sie geiferte Blut und wand sich, drehte sich dann aber umständlich staksend zu dem Halbelfen um. Seine Axt steckte tief in der schuppigen Haut; sosehr er auch zerrte, er bekam das Blatt nicht frei. Er konnte hören, wie Gunther hinter ihm weinte. Heikhe hatte die ganze Zeit über ängstlich ihren Dolch vor sich gehalten. Mit Schrecken erkannte er, dass die Bestie nicht dumm war. Sie erinnerte sich plötzlich an den Wehrlosen, der zu ihren Füßen lag, hielt ihn mit einem seiner Beine an der Stelle gefangen und öffnete ihren Rachen, um ihm den Kopf abzubeißen. Halb benommen blickte Rhoderik in den sich auftuenden Schlund. Der Fäulnisgeruch ließ ihn würgen. Dem Tod ins Gesicht schauend bedauerte er lediglich, kein Schwert in der Hand zu halten. Trotzdem hoffte er auf einen Platz an der hohen Kriegertafel im Jenseits.
Ein leuchtendes Zucken fuhr von unten durch den Hals der Bestie, durchschnitt Muskeln, Sehnen und Knochen. Die Klinge Leid hatte ihrem Namen Ehre gemacht. Sedain sah Kraeh an, der gerade die Bestie enthauptete hatte; ein entrücktes Frohlocken lag auf den Zügen seines Freundes, dass er ihn kaum wiedererkannte. Die entlaufene Frau hatte mit ihrem Schwert die Läufe der Bestie abgehackt. Sie war von oben bis unten mit dunklem Blut verschmiert, und auch in ihrem Gesicht fand sich Verzücken über die gräuliche Tat.
In jeder Schlacht gibt es einen Augenblick der Stille, immer dann, wenn sich das Blatt wendet. Dieser Augenblick war jetzt. Die Kreaturen mussten entsetzt gewesen sein, wie sie den Ersten der Ihren sterben sahen. Jeder dachte, die Entscheidung sei gefallen, da passierte etwas, mit dem keiner gerechnet hatte. Anstatt zu fliehen, ließ eine jede von ihrem Tun ab und wie auf Befehl stürzten sie gemeinsam auf Lou und Kraeh zu. Das Sichtfeld des Kriegers verdunkelte sich vor lauter Leibern, Schnauzen und Beinen, die auf ihn zurasten. Die mystische Klinge beschrieb einen grässlichen Halbkreis, dass abgeschlagene Gliedmaßen nur so umherstoben, dann warf er sich im letzten Moment auf den Boden und entging damit den Krallen der Angreifer. Lou tat es ähnlich. Synchron sprangen sie auf die Beine und warteten Rücken an Rücken auf die nächste Attacke.
Doch sie blieb aus. Die übrigen fünf Bestien breiteten urplötzlich die Schwingen aus und hoben ab. Mindestens drei von ihnen waren verstümmelt, aber dennoch entfernten sie sich rasch in die Lüfte. Es war noch zu erkennen, wie eine, mit einer Last beladen, sich vom Rest absonderte und nach Westen hielt.
Der Kampfesrausch fiel von Kraeh ab, ließ ihn dumpf und erschüttert zurück. Kaum wagte er es, nach den Kindern zu sehen.
Sedains Rücken war zerschunden. Aus tiefen Wunden floss Blut. Er hatte sich auf Heikhe geworfen, die am ganzen Leib bebte und schluchzend nach ihrem Bruder rief.
Der Seher hatte sein Ziel zur Hälfte erreicht.
Wenig später traf Thorwik mit den Männern ein, die auf dem Schiff zurückgeblieben waren. Ihre Schwertarme kamen zu spät, doch sie bauten behelfsmäßige Tragen, kümmerten sich um die Verwundeten und brachten sie zum Schiff.
Lothar kam herbeigerannt und lud sie ein zu bleiben. Rhoderik und Kraeh wahrten Höflichkeit, dankten ihm für Speise und Trank und schlugen das Angebot aus. Auch wenn ihm und seinem Dorf keine Schuld an den Ereignissen zuzuschreiben war, so waren sie doch misstrauisch geworden. Sie schüttelten Lothars Hand und er wünschte eine gute Weiterfahrt und den Schutz seiner Göttin.
Nachdem die Fraja in tieferes Wasser gestakt worden war, gab Thorwik den Befehl, die Segel zu hissen. Obwohl kaum Wind wehte und das Hauptsegel sich nur leicht füllte, blieben die
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