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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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wunderte ihn, keinen Ritualplatz oder Tempel vorzufinden. Einer der Dorfbewohner deckte gerade sein Dach, zwei andere wuschen sich am Flussufer. Als sie das Schiff erblickten, winkten sie ihnen zu, die Kinder und einige andere, die sich auf Deck befanden, winkten zurück. 
    Nach Absprache mit dem Kapitän legten sie in der nächsten Bucht an. Schnell hatte sich auch unter Deck herumgesprochen, dass Met oder zumindest Ale in Aussicht stand. Vor allem die brisakschen Soldaten wünschten sich wieder einmal festen Boden unter den Füßen. Und so ließ sich Thorwik erweichen, zumal es ihm lieber war, ein unschuldig wirkendes Dorf zu besuchen, als sich auf der anderen Seite mit den strengen Gesetzen des Maet von Mont konfrontiert zu sehen. Außerdem wurden die Nahrungsmittel allmählich knapp. 
    Dennoch wurde eine stattliche Wache, die zur Mitternacht hin abgelöst werden sollte, zurückgelassen, als sie an Land gingen. Der Kapitän selbst blieb ebenfalls zurück und mahnte die Ablösung unter Androhung von Strafe, nicht allzu viel über den Durst zu trinken. Eigentlich war es nicht angemessen, überlegte Kraeh, dass der Kapitän über seine Männer verfügte, andererseits kam es ihm gerade recht, ein wenig Verantwortung abzugeben. 
    Zwanzig Mann wateten leicht gerüstet ans Ufer. Die Kinder waren natürlich nicht bereit, dieses Abenteuer zu versäumen, und so befahl Kraeh drei Soldaten, die er besonders gut kannte, sich an Rhoderik zu halten und die Kinder nicht aus den Augen zu lassen. Auch die immer noch namenlose Frau war unter ihnen, mit steinernem Blick hielt sie Schritt. 
    Als sie weichen Moosboden unter den Stiefeln hatten, war es Kraeh, als rief ihn eine wohlmeinende Stimme. Ohne sich etwas anmerken zu lassen, wandte sich der weißhaarige Krieger an Sedain. 
    »Ich brauche etwas Zeit für mich.« 
    Der Halbelf nickte und übernahm damit das Kommando. Kraeh trennte sich von dem Rest der Truppe und hielt auf den Wald zu. 
    Die Sonne war hinter den hohen Bergen im Westen untergegangen, ein rotes Schimmern in den Wolken über ihren schneebedeckten Gipfeln war das letzte Zeugnis des Tages. Das hohe Gras, das sie durchschritten, war nass, roch aber herrlich nach Frühling. Eine alte Weise auf den Lippen bewegte sich die Gruppe, von Sedain geführt, gegen den Flusslauf auf die Siedlung zu. Heikhe und Gunther kannten die Strophen nicht, summten aber freudig die hellen Klänge mit. Sie wanderten an einer stillgelegten Windmühle vorbei, aus deren halb zerfallenem Dach ein Kuckuck rief. 
    Auf halbem Weg, die ersten Hütten waren schon in Sichtweite, trat ihnen eine vierköpfige Delegation entgegen. Die Männer waren ärmlich gekleidet, nur einer, der ihr Anführer zu sein schien, trug einen bronzenen Halsring. Mit einer freundlichen Gebärde richtete er das Wort an sie: »Seid willkommen in Ertingen. Wir hofften, ihr würdet hier Einkehr halten.« 
    Kein Hauch von Unterwürfigkeit oder Angst lag in seinen Worten, was Sedain wunderte; immerhin standen über ein Dutzend Soldaten in seinem Rücken und die Dorfbewohner konnten nicht wissen, woher sie kamen. Die brisaksche Fahne hatten sie seit Tagen nicht mehr gehisst. 
    So höflich, wie es ihm möglich war, entgegnete er: »Dankend nehmen wir das Gastrecht an. Sedain ap Nepdu ist mein Name.« Sie schüttelten sich die Hände. 
    »Lothar, Caervorstand von Ertingen«, sagte der gut aussehende Mann mit den offenen Zügen, dessen rotblonder Schnurrbart ihm ein lustiges Aussehen verlieh. »Über dem Feuer brät Fleisch und unser Wirt sticht bereits die Fässer an.« Der Halbelf konnte spüren, wie sich Erleichterung und Vorfreude hinter ihm ausbreitete. Schon waren sie einige Schritte gegangen, da drehte sich Lothar noch einmal um. »Eure Waffen«, sagte er, als wäre es ihm im Moment eingefallen, »werdet ihr nicht brauchen. Ich muss euch bitten, sie nicht mit ins Dorf zu nehmen.« 
    Nicht sonderlich überrascht und doch innerlich fluchend, ordnete Sedain an, das Kriegswerkzeug auf eine Schubkarre zu laden, die von den Dörflern vorsorglich bereitgestellt worden war. Natürlich behielt er zwei versteckte Dolche am Körper und ging davon aus, dass auch die anderen Reserven hatten. 
    Ein junger Mann, der sich mit dem Namen Ludigor vorgestellt hatte, zog die Schubkarre hinter sich her; verfolgt von Sedains Blick schaffte er sie in eine vorgelagerte Hütte am Dorfrand. 
    Der Caervorstand führte sie zu dem steinernen Haupthaus, vor dem sich die kleine Gemeinde im

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