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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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rann. 
    »Danke«, sagte Lou, als sie wieder allein waren. 
    Dieser Zwischenfall hätte mit Sicherheit den Tod des Halbelfen bedeutet, wären sie am Folgetag nicht am Ziel ihrer Reise angekommen. Der von der Galeere angelaufene Hafen erschloss sich den Gefangenen vorerst nur bruchstückhaft. Ausschnitte vor Anker liegender Schiffe und sandsteinfarbene Mauerteile waren zu erkennen. Dann waren Rufe und das Geräusch ausgeworfener Taue zu hören. Ein gedämpfter Ruck war zu spüren und die Fahrt war zu Ende. 
     
    Es dauerte noch eine Weile, die dem kleinen Rest derer, die zusammen von Brisak aufgebrochen waren, wie eine Ewigkeit erschien. 
    Merkwürdig, ging es ihnen durch die Köpfe, sie hatten die längste Zeit auf dem Schiff dämmernd in einem Zustand irgendwo zwischen Träumen und Wachen zugebracht, doch jetzt, da Land und Erlösung kurz vor ihnen lagen, dehnten sich die Atemzüge scheinbar zu Tagen. Als es endlich so weit war, traten die Aufseher, begleitet von einem Dutzend bewaffneter Männer, zu ihnen. Bank für Bank wurden die Ketten gelöst und sogleich durch eine neue, sie verbindende, ersetzt. Mehr gestoßen und gezerrt als selbst gehend, wurden sie erst durch die Unterdecks der Galeere, dann über den Landungssteg gebracht und schließlich hinter zwei anderen, schon wartenden Gefangenenreihen aufgestellt. Es war bereits Mittag und die Sonne schien träge und schwer auf den Werften und den hohen Häusern mit ihren rot bedeckten Ziegeln zu liegen. Hier in Thister sahen sie zum ersten Mal den Kapitän der Galeere: einen breitschultrigen Mann mit schwarzem Kinnbart, der sich mit freiem Oberkörper vor ihnen aufbaute. Seine wollene Hose zum Bauchnabel hochziehend spuckte er aus. Links und rechts neben ihm stand die ebenfalls angetretene Mannschaft. Zu seinen Füßen saß ein herausragend hässlicher Hund, der fortlaufend bellte, bis der Kapitän ihm auf die Ohren schlug. Es war erstaunlich, wie viele Menschen im Bauch des Schiffes Platz gehabt hatten. Zu den etlichen Ruderern zählte Kraeh sechzig Mann in Waffen, sowie etwa vierzig weitere, deren wettergegerbte Haut und langer Bart sie als Seeleute auswiesen. Zudem eine handvoll Helfer, die mit dem Zusammenhalten der Schweine, Ziegen und der zwei Pferde beschäftigt waren. 
    Von der Besatzung der Fraja waren gerade mal sechs aus der Crew Thorwiks und acht brisaksche Soldaten übrig geblieben. Vielleicht, überlegte Kraeh, wäre es doch besser gewesen, Berbast hätte sie weiter begleitet. Aber im Kampf gegen die mächtige Kriegsgaleere, die in voller Größe hinter ihnen vertäut lag, hätte ein Schiff mehr wohl kaum einen Unterschied gemacht. 
    Der hünenhafte Kapitän spuckte ein zweites Mal aus, bevor er das Wort an sie richtete. »Ihr seid Gefangene Ranus’ des Reichen«, sagte er und tippte sich dabei überflüssigerweise auf die Brust, deren Warzen beidseitig von goldglänzenden Ringen durchstochen waren. »Stolz, nicht Niedergeschlagenheit, die ich in so vielen Gesichtern lese, Demut, nicht Hass und vor allem: Ehrfurcht, nicht Aufbegehren sollte eure Herzen in diesem Augenblick bewegen.« Er trug die offensichtlich eingeübte Rede in einem Pathos vor, dass Kraeh und Sedain grinsen mussten. Zumal all ihre Gedanken um Hassauslebung und – wie er es nannte – Aufbegehren kreisten. Sie waren erschöpft und niedergeschlagen wie die anderen auch, doch nichts in ihnen war bereit, das Haupt zu beugen oder sich von wem oder was auch immer einschüchtern zu lassen. 
    »Die Edelsten und Wohlhabendsten werden gutes Geld für eure starken Arme zahlen. Und wer weiß«, er machte eine gönnerhafte Geste, »der eine oder andere mag nach Jahren tüchtigen und folgsamen Arbeitens von seinem Herren sogar freigelassen werden.« Nun verstand Kraeh den Zweck seiner Worte. Er wollte sie auf ihre Zukunft als treue Sklaven einschwören. Etwas abseits lungerte eine Schar interessiert dreinblickender Individuen, vermutlich Abgesandte der potenziellen Käufer, denen die Aufgabe zufiel, die Ware vorab zu begutachten. Ein Paar fiel dabei besonders ins Auge; ein verhutzeltes, krumm gewachsenes Wesen mit tief in die Stirn gezogenem Schlapphut, flankiert von einem stumpfsinnig wirkenden Ork, über dessen Rücken eine Streitaxt ragte. 
    Der Krieger wurde aus seiner Beobachtung gerissen, als sich die drei Reihen der Gefangenen hintereinander in Bewegung setzten. 
    »’Anus sollte am Schluss seiner Ansprache feilen«, schmunzelte Sedain. 
    Kraeh kicherte. »Darüber könnt ihr

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