Rabenflüstern (German Edition)
er ihn schlicht Schlinger. »Passend zu seinem Heißhunger«, amüsierte sich der Halbelf und tätschelte dabei den struppigen Kopf des hässlichen Tiers.
Sedain schenkte den am Strand und auf dem Schiff lümmelnden Seeleuten wenig Vertrauen, und so trennten sie sich bald wieder mit einer weiteren Umarmung, um sich später in Skaarbrok wiederzutreffen.
Als das Heer zurückkehrte, wurden sie mit einem Blumenregen empfangen. Eine große Menge von Menschen, meist Bauern, die von überall her zusammengekommen waren, ihren Verteidigern zu danken, hatte sich vor der Burg eingefunden. Jubelrufe wurden laut. Die siegreichen Kämpfer mischten sich sofort unters Volk, wo sich Ehefrauen um die Hälse ihrer Männer warfen, Kinder auf Schultern gehoben und Küsse der Erleichterung darüber, den anderen nicht verloren zu haben, getauscht wurden. Es war ein Tag der Freude.
Aller Gram fiel von Kraeh ab, wie er den glücklichen Familien zusah, die Tränen der Heiterkeit vergossen ob des Glückes, das sie verspürten, wieder mit den Geliebten vereint zu sein. Nur ein leichter Hauch von Melancholie mischte sich in das allgemeine Hochgefühl; er, der Krieger, würde nie ganz an der Glückseligkeit jener teilhaben können, deren Leben zu schützen seine Bestimmung war. Lou las seine Gedanken, ihre Augen fanden sich. Durch das Rufen und Lachen trat sie neben ihn. Ihre Lippen berührten sich, dann drückte er sie fest an sich. Wie lange hatten ihre Körper sich nach einander gesehnt. Sie vergaßen den König und stahlen sich davon in die Dünen, die das Fundament der Felsen umgaben, auf dem die Feste erbaut worden war. Begleitet vom Schreien der Möwen liebten sie sich, mal zärtlich, dann wieder voller Leidenschaft. Für diese Zeit hielt die Welt mit all ihren Pflichten für sie den Atem an. Erschöpft sanken sie endlich nebeneinander in den Sand und sahen den Vögeln und den vorbeitreibenden Wolken zu.
»In zwei Monden, wenn die Nordmänner zurückkommen, wird die Heimkehr für viele weniger glücklich ausfallen«, sagte Kraeh schweren Herzens.
Zwei Seetaucher zankten sich um einen winzigen Fang, der im Flug noch zappelte. Dabei fiel er dem einen aus dem Schnabel und flog nach unten. Bevor die Streitenden ihn wieder erreicht hatten, stieß eine Krähe herab und ging letztlich als Sieger aus dem Zwist der zwei hervor.
»Die Göttin ist gnädig, dass sie nicht wissen, was sie erwartet«, sann Lou.
»Aber wir wissen es«, sagte Kraeh, dem Flug der schwarzen Schwingen folgend. »Wir wissen es.«
***
Als Kraeh und Lou den Thronsaal betraten, machte die dicht an dicht stehende Menge ehrfürchtig eine Schneise frei. Noch nie war die bunte Halle so voll und zugleich so still gewesen wie in diesem Moment. Nebeneinander schritten sie bis kurz vor den König, der aufgestanden war. In einer pathetischen Geste breitete er die Arme aus. Das Schwanenbanner hing hinter ihm und der Stein um den Hals des Trolls strahlte ein glimmendes Licht aus. Diesmal war nicht der Hauch einer Rüge in seinen Worten, als er den beiden die Anerkennung und den Dank für ihre Dienste zollte. Unwillkürlich senkten sie die Köpfe vor dem großen König. Nachdem er geendet hatte, taten die versammelten Hauptleute und Krieger ihre Beistimmung kund, indem sie mit Fäusten auf ihre Schilde klopften und Speerknäufe auf den Boden donnern ließen. Ein mächtiges Dröhnen entstand, in dessen Ausklang eine Bardengruppe ein heroisches Siegeslied einfließen ließ, dessen Refrain nach der dritten Wiederholung lauthals mitgegrölt wurde. Das Fest hatte begonnen.
Und spüren wir auch
die Sonn’ heiß auf dem Haupt,
der Nordmänner Blick
dürstend nach Raub.
Der schwarze Schwan
treibt uns voran,
die Drude, die Kräh’
führt uns all –
nach Walhall’!
Die letzte Zeile kam leicht versetzt, und in die kurzen Pausen setzte der Dudelsackspieler zwei trötende Töne, untermalt von den aneinandergestoßenen Humpen und Hörnern. Es war ein schlichtes Lied. Eben eines, wie es direkt nach der Schlacht entstand, aber es wurde begeistert aufgenommen und hatte bald mehr Strophen, als irgendeiner sich merken konnte. Anerkennend nickte Kraeh seinem Skalden zu.
»Nach Walhall’!«, schrie Heikhe begeistert mit, während Sedain sie zur Begrüßung hoch in die Luft stemmte. Nun waren sie endlich wieder alle vereint, was energisch begossen wurde.
Kraehs Schädel brummte, als ein Klopfen an der Tür ihn aus dem Schlaf weckte. Schnell warf
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