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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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Inanspruchnahme der eigentlichen Funktion konnte Lou, wie das Beispiel zeigte, nur durch eine Demonstration der Überlegenheit erreichen. Genau das hatte sie getan, und fortan gab es keine Schwierigkeiten mehr in der Rangfolge, da der Kampf und sein Ausgang, trotz der Geheimhaltung, natürlich an den Feuern die Runde gemacht hatte. Die Lektion, die sie dem aufrührerischen Hauptmann erteilt hatte, war ein kleines Abbild ihres gesamten Feldzuges. Wie eine Sense durch Gras war die von ihr und Rhoderik angeführte Phalanx Mal um Mal durch die Schilderwälle der Nordmänner gefahren. Mit einem halben Tag Vorsprung hatten sie die Wetterfeste erreicht. Die Anführer begrüßten sich, die Hände den Unterarm des anderen packend, im Kriegergruß. 
    »Gut gemacht«, sagte Kraeh an Lou gewandt und biss in einen Apfel. »Du hast gewonnen.« 
    »Ach?«, antwortete sie schnippisch, aber scherzhaft lächelnd. 
    Die neu ernannten Kapitäne der Drachenboote wurden angewiesen, zu einem natürlichen Becken nahe der Burg des Königs zu segeln, dort vor Anker zu gehen und auf weitere Befehle zu warten. 
    Die Menge an Vorräten war gut kalkuliert gewesen. Man würde einen Tag zwischen den geschleiften, mit Moos überwachsenen Mauern kampieren, um den Männern Zeit zu geben, sich um die wenigen Verletzten zu kümmern und für den Rückmarsch auszuruhen. 
    Der nächste Morgen war neblig. Am späten Vormittag verzogen sich die Schwaden und gaben den Blick auf zwei Schiffe der Feinde frei, die sich sogleich mit einigen Ruderschlägen außerhalb der Reichweite der Bogenschützen brachten, um dann dort unentschlossen im Wasser vor sich hin zu dümpeln. Die große Zahl der aufgeschlagenen Zelte an der beabsichtigten Landungsstelle ließ die Befehlshaber offensichtlich zaudern. Einem Kampf gegen die an Land rastende Armee schienen sie keine Aussicht auf Erfolg einzuräumen, aber die Option, mit leeren Händen nach Hause zu segeln, musste ebenso unattraktiv auf sie wirken. Auch schienen sie anzunehmen, dass seine Streitmacht ihnen folgen würde, falls sie die Küste nach einem besseren Platz absuchten. Daher unternahmen sie vorerst nichts. Lou, Kraeh und die anderen Hauptmänner berieten, wie sie vorgehen sollten, als ihnen die Entscheidung plötzlich abgenommen wurde. In schneller Fahrt näherte sich ein riesiges Schiff von der Seeseite. Die Nordmänner hatten die Segel eingeholt, um nicht vom Wind abgetrieben zu werden, und hatten daher keine Chance, vor dem nahenden Schiff zu fliehen. Als die dreistöckige Galeere das Schwanenbanner hisste, applaudierten die Soldaten, die vom Land aus dem Spektakel beiwohnten, laut der Sklavenbringer zu. In einem unverhofften Wendemanöver rammte sie das eine der Drachenboote in voller Wucht und teilte es mit kaum verringerter Geschwindigkeit in zwei Teile. Die Wurfschleuder, an deren verhängnisvolle Macht Kraeh sich gut erinnerte, versenkte das zweite im Vorbeifahren.  
    Erst jetzt erkannte er, wie drei Leichen in grotesker Weise an den Flügeln des Pegasus, der die Sklavenbringer als Galionsfigur schmückte, festgebunden waren; deutlich hob sich die breite Statur der einen von den anderen beiden ab: Kapitän Ranus, der einstige Kapitän und Sklavenhändler, flankiert von den beiden Wächtern.  
    Einen Steinwurf von der Küste entfernt wurden die Anker geworfen und ein Beiboot zu Wasser gelassen. Ein Mann, dessen Konturen dem Kriegsherrn allzu vertraut vorkamen, stand an dem kleinen Bug, neben ihm bellte ein Hund. 
    »Sedain!«, rief Kraeh aus, dann lief er dem Freund gemeinsam mit Lou und Rhoderik entgegen. 
    Sie fielen sich in die Arme, indes der Skalde einen respektvollen Abstand hielt und sich Notizen machte. 
    »Schön, dass du endlich da bist«, sagte Kraeh und warf einen fragenden Blick zuerst auf das Schiff, dann auf den knurrenden Hund. 
    Sedain lächelte böse. »Kapitän ’Anus war so lieb, mir seinen Kahn zu borgen …« 
    Rhoderik lachte, während er dem Halbelfen auf die Schulter klopfte. 
    Sie setzten sich auf den felsigen Grund und plauderten eine Weile, wobei Sedain das eine oder andere Detail der blutigen Abrechnung berichtete. Weil Kraeh die Genugtuung in den Zügen Lous wahrnahm, ließ er ihn gewähren, obwohl ihn die Unbarmherzigkeit des Halbelfen immer wieder aufs Neue schockierte. Der Hund, sagte er munter, sei sein Leibwächter. »Ein irischer Wolfshund«, erklärte er seine enorme Größe. Leider sei Ranus nicht mehr dazu gekommen, ihm den Namen zu nennen, deshalb rufe

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