Rabenflüstern (German Edition)
Jahrtausende hinweg die größte Geißel der Menschheit darstellte. Außerdem ist gestern ein Gesandter aus Brisak eingetroffen, der die Botschaft jenes Gottes in mein Land tragen möchte. Hör dir den gefährlichen Unfug an, den er von sich geben wird. Aber ich möchte dich nicht langweilen, das kann dieser Narr übernehmen.« Er zog an der Pfeife und überlegte kurz, wo er weitermachen sollte.
»Bestimmt hast du auch nicht mitbekommen, wie Theodosus, der Erzfeind deines früheren Herrn, auf mysteriöse Weise ums Leben kam. Was für ein Zufall … Nun ist Bran zum Hochkönig ernannt worden. Böse Zungen könnten behaupten, er habe von Anfang an nichts anderes im Sinn gehabt.«
Das war genug für Kraeh. Heftig fuhr er dem König ins Wort.
»Er ist nicht mein früherer Herr. Ich bin sein Krieger, und sobald ich den Stein habe, kehre ich zu ihm zurück, gleich welchen Gott er anbetet. Wir haben uns noch nie viel aus Göttern gemacht.«
»Genau das war vielleicht Brans Fehler.« Siebenstreich runzelte die Stirn. Kraeh glaubte, einen Anflug von Enttäuschung in dessen Zügen zu erkennen.
Der Troll seufzte: »Ich hatte befürchtet, du würdest so denken. Deine Loyalität spricht für dich und dennoch machst du einen Fehler … Ich bitte dich«, er benutzte absichtlich das Wort, das bei ihrem ersten Treffen für Unfrieden gesorgt hatte, »bleibe mit deinen Freunden noch ein Jahr und einen Tag bei mir. Dann sage ich dir, wo du den echten Stein finden kannst. Zudem wirst du dir zwei Dutzend Männer aussuchen, die dich fortan begleiten werden. Ich fürchte, du wirst sie brauchen.«
Kraeh nahm einen weiteren Zug aus der Pfeife und sah wieder aus den riesigen Fenstern. »Einverstanden«, erklärte er schließlich. Es war nicht so, als wollte er von Skaarbrok weg. Einige Dinge brachten seine Ansichten ins Wanken, ausgesprochene wie unausgesprochene. Hatte Bran nicht von einem Dänenkönig gesprochen, der die umliegenden Länder unterwarf? Siebenstreich, der sich schließlich mehr als Gelehrter denn als Kriegstreiber herausgestellt hatte, lag einzig daran, sein Land zu verteidigen.
»Falls du Hilfe beim Lesen des Textes brauchst, halte dich an deine kleine Freundin, sie lernt schnell«, unterbrach der Trollkönig seine Gedanken und wies dabei auf ein Pult, auf dem sich dicke Schwarten stapelten. Jetzt erst erkannte Kraeh das braune Scheitelhaar von Heikhe. Hier hatte sie also die ganze Zeit über gesteckt. Das war ihr Geheimnis gewesen. Der Krieger musste lächeln.
»Wir haben also eine neue Vereinbarung«, sagte er abschließend. Von den aufgekommenen Zweifeln hinsichtlich Brans und des ganzen großen Spiels ließ er sich jedoch nichts anmerken. »Sobald ich mein Versprechen meinem Fürsten gegenüber erfüllt habe, werden wir weitersehen. Zuerst aber zeige ich diesen Nordmännern, dass sie sich die falschen Küsten ausgesucht haben.«
Der König nickte und Kraeh nahm sein Geschenk entgegen. Er stand auf und begab sich zu seinem Schützling, um die ersten Lektionen von ihr zu erhalten. Heilwig setzte sich bald zu ihnen und klärte ihn über die Urheberschaft des Schriftstücks auf. Der Verfasser von Sokrates’ Apologie sei Platon gewesen, ein Schüler des Sokrates. Zuerst halte er es jedoch für angebracht, dass Kreah sich an einem Dokument versuche, zu dem er mehr Bezug habe.
Der Kobold erwies sich als guter Lehrer. Er freute sich über die erwachende Wissbegierde Kraehs, als sie die ersten Zeilen von Hannibals Marsch über die Alpen Wort um Wort nachvollzogen. Anfangs versuchte Kraeh, dem Kobold mehr über jenen Dämon zu entlocken, von dem Siebenstreich gesprochen hatte, doch der brachte deutlich zum Ausdruck, nicht darüber sprechen zu wollen. Nur einmal sagte Heilwig verdrießlich: »Zerbrich dir jetzt nicht den Kopf darüber. Der König verwechselt leider zuweilen seine Vermutungen mit Tatsachen.« Danach gab der Krieger es auf.
Fortan verbrachte Kraeh den halben Tag in der Bibliothek, wo er, sehr zur Freude seines Lehrers, bald beachtliche Fortschritte erzielte. Den Rest des Tages entwarf er Schlachtpläne und trainierte gemeinsam mit Lou und den besten Schwertkämpfern sein eigentliches Handwerk. Da er nach wie vor keine seiner zwei Klingen gegen einen Schild eintauschen mochte, verfeinerte er seinen beidhändigen Stil und überlegte, wie er ihn am besten in der Schlacht anwenden könnte.
Es war ein heißer Sommer, die Übungen im Burghof schweißtreibend und doch fanden Lou und
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