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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Mauer. Plötzlich nahm sie die weißen Punkte wahr, die vor ihren Augen flimmerten. Sie konnte nicht mehr... und es machte auch nichts mehr. Sie würden alle sterben, noch bevor die Sonne aufging. Es war bemerkenswert, dass sie sich den Drachen so viele Stunden hatten entgegenstellen können... aber vielleicht lag das auch nur an der schieren Masse der Menschen, die sie töten mussten.
    Sie schloss die Augen. Ihre Finger tasteten nach Mond und streichelten ihn erschöpft. Sein Fell war blutverklebt, so wie ihre eigenen Kleider. Hätten sie nur einen Tag länger durchgehalten, einen Tag... die Revolution war an ein paar Stunden gescheitert.
    Träge kroch die Helligkeit hinter den Ruinen empor und verlieh der Zerstörung Umrisse. Die Drachen hatten den Rest der Menschen vor dem Tor eingekreist und schlachteten sie wie Vieh. Rauch fegte vorüber und ersparte Baltibb den Anblick. Eine Frage von Minuten, vielleicht Sekunden, bis ein Drache sie entdeckte. Sie wusste nicht, ob sie noch die Kraft hatte, sich zur Wehr zu setzen.
    Im bleiernen Dämmerschlaf hörte Baltibb Rufe, die nicht von Schmerz herrührten. Und dann... erschollen Trommeln. Kriegstrommeln. Baltibb begriff nicht. Die Hörner der Drachen waren doch schon lange verstummt, die Schlacht war fast zu Ende. Aber die Rufe schwollen an. Schließlich öffnete Baltibb die Augen. Zwischen Feuer, Rauch und Trümmern glommen Farbflecken auf... es waren Banner. Grün und blau, mit zwei Tauben darauf, die um eine geöffnete Hand kreisten.
    »Freiheit! Wahrheit!«, hallte es von allen Gassen wider. Eisen blitzte in den ersten Lichtern der Dämmerung. Zitternd zog Baltibb sich an der Mauer hoch. Soldaten stürmten durch die Ruinen... die Soldaten der Geschwisterstaaten!
    »Freiheit! Wahrheit! Freiheit!«
    Der Ruf wurde von überall erwidert. Pfeile zischten durch die Luft, und im nächsten Augenblick stürzte eine kreischende Daraude direkt vor Baltibbs Füße, von Geschossen durchbohrt.
    Die Drachen waren nicht nur von der Grenze gekommen, um die Unruhen zu unterdrücken. Sie waren hier, um sich in der Stadt zu verschanzen - vor den Geschwisterstaaten! Der Krieg hatte viele von ihnen die Korpusse gekostet, nun waren sie hier, um das Ritual erneut durchzuführen.
    Reihe um Reihe stürmten die Soldaten in den grünen und blauen Uniformen den Ungeheuern entgegen. Sobald ein Krieger fiel, waren zwei Ruinenleute zur Stelle, um mit seinen Waffen weiterzukämpfen.
    Die Hoffnung packte Baltibb und flößte ihr neue Kraft ein. Sie verließ ihr Versteck, fand im Gefecht Kasamé und die Krieger von Albathuris wieder und kämpfte an ihrer Seite. Das Trommeln der Geschwisterstaaten trieb ihre Hiebe an, wurde ihr Herzschlag, zählte die Drachen, die sie besiegte. Dann fiel das Tor, und die aufgebrachten Massen drangen in Wynter ein, hier als Angreifer, dort als Flüchtlinge, wie die aufgepeitschten Wirbel eines Schneesturms.

Jaguar und Kaiserin
    V om Fenster des geheimen Zimmers aus beobachtete Mion, wie die Stadt unterging.
    Die Bürger zogen in Protestmärschen durch die Straßen, griffen die Sphinxe an, flohen vor ihnen, töteten und wurden getötet ohne Sinn. Mion hätte ihren Augen nicht getraut, wäre sie noch zu Bestürzung fähig gewesen.
    All die Tage, die Jagu spurlos verschwunden war, musste er hier verbracht haben: Wenn er seine Maske nicht mehr hatte tragen können, war er in das Versteck zurückgekehrt wie in die Höhle seines Herzens.
    Stundenlang lag er reglos in dem mottenzerfressenen Himmelbett, murmelte Worte, führte Gespräche mit Erinnerungen, die längst zu überirdischen Träumen verwischt waren. Die Leichen der Vergangenheit waren die einzige Gesellschaft, die er liebte; sie sahen seinen Wahn nicht und er war blind für ihre Verwesung. Doch die Sphinxe oder die Kaiserin, die Jagu erwartete, kamen nicht.
    »Warum lässt dein Prinz sich so viel Zeit?«, fragte er anfangs noch mit hartem Spott. »Er hat doch nicht etwa vergessen, dass du ihn in eine Falle gelockt hast.«
    Dass niemand kam, konnte nur bedeuten, dass Lyrian sie nicht festnehmen lassen wollte. Nach allem, was geschehen war, verschonte er sie immer noch.
    Als die Sphinxe am ersten Tag nicht kamen, nicht in der Nacht, nicht am nächsten Morgen, hörte Jagu mit seinen höhnischen Bemerkungen auf. Stumm wartete er die verbleibende Zeit seines Lebens ab. Denn dass er den Raum zu seiner Grabkammer erkoren hatte, daran zweifelte Mion nicht mehr. Seite an Seite mit seinen toten Träumen würde auch er

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