Rabenmond - Der magische Bund
dazwischen - Mond bellte, sprang ihn an, als er Baltibb am Arm packte, sie stach mit dem Schwert zu - und traf ihn mitten ins Herz.
Baltibb stieß einen gellenden Schrei aus. Sein Körper verkrampfte sich, sein Atem schlug ihr heiß ins Gesicht; dann war er tot. Entsetzt ließ sie das Schwert los. Mond sank zu Boden, die Klinge bis zum Heft in der Brust.
»Nein, nein, nein... nein! Nein!« Sie sah ihre eigene Spiegelung in seinen schwarzen Augen. Sonst regte sich nichts mehr darin.
Taumelnd wich Lyrian zurück. Durch Tränen sah Baltibb, wie er Mion in die Arme nahm.
»Hier!«, schrie sie schrill. »Hier ist ein Drache! Hier ist ein Drache!« Schon näherten sich die Fackeln aus der Dunkelheit.
Lyrian ging rückwärts und schwankte unter dem Gewicht des Mädchens. Das war das Letzte, was Baltibb von ihm sah. Die Welt verschwamm in Tränen.
Schluchzend vergrub sie das Gesicht in Monds Fell.
Wynter gehörte ihr. Sie hatte alles verloren.
Wohin die Wellen führen
E in gewonnener Krieg ist immer auch ein verlorener. Was am Ende von Parolen blieb, von bunten Bannern und Träumen, waren Menschen - Menschen, wie zu Beginn.
Wölfe der Nacht und Löwen des Kampfes verwandelten sich wieder in Männer und Frauen, so wie sie es immer gewesen waren, immer sein würden.
Die längste Nacht des Jahres endete mit Rauch und einem grauen Dunstschleier. Zögernd näherte sich der Tag, als fürchte er, der Welt zu zeigen, was aus ihr geworden war. Als die blauen, weißen und grünen Fahnen der Freiheit über dem Palast gehisst wurden, verließen Scharen von Flüchtlingen die Stadt. Das war die Freiheit, die die Menschen sich nahmen.
Familien, Waisen, Verletzte, Alte zogen schweigend in eine unbekannte Zukunft. Und gewiss war der eine oder andere Drache unter ihnen, der sich nicht mehr vom Rest des Volkes unterschied.
Auf dem Fluss trieben Trümmerstücke aus Wynter: Teile von Hausdächern, Kisten, halb verkohlte Holzbalken - als würden die Gegenstände ihren fliehenden Besitzern nachreisen. Eins nach dem anderen ging in den grauen Wellen unter oder wurde ans Ufer gespült, um bald Bibern und Dachsen als Unterschlupf zu dienen.
Zwischen den Trümmern glitt still eine Barke dahin. Die Holzwände waren kunstvoll verziert, im Bug lag ein eingerolltes buntes Segel; das Boot war den langen Weg aus dem Palast gekommen und trieb zum ersten Mal in wildem Gewässer. Als nach und nach das Strandgut unterging, fuhr die Barke allein weiter, so wie ein Herbstblatt, das den ersten Schnee überdauert, indem es mit den Flocken tanzt.
Ein Junge lag darin und hielt ein Mädchen in den Armen. Er hielt sie schon sehr lange so, ihr Kopf an seiner Schulter. Von Zeit zu Zeit nahm er seinen Umhang und tupfte ihr das Blut vom Gesicht. Ein tiefer Schnitt ging quer von ihrer Stirn bis zum Nacken.
Als Mion zu sich kam, glaubte sie sich im Jenseits. Alles war sehr weiß, nur die Zweige der Bäume, die träge über sie hinwegglitten, hoben sich davon ab. Ein schrecklicher Schmerz spaltete ihren Schädel und brach jeden Gedanken in der Mitte entzwei. Sie konnte nicht durch die Nase atmen und die Augen nur halb öffnen. Zitternd tastete sie nach ihrer Stirn und stöhnte auf, als sie ins Blut fasste.
»Nicht«, murmelte Lyrian und schloss ihre Hand behutsam in seine. Schweigend fuhren sie weiter durch das weiße Nichts.
»Das war meine Vision«, hauchte Mion irgendwann. Blut sickerte von ihrer Wange in ihren Mund, wenn sie sprach. Aber das musste sie Lyrian sagen: »Beim Schweben sieht man, was nach dem Tod kommt... und wir sind gestorben. Ein neues Leben...« Sie hielt inne, bis das Brennen nachließ und ihre Tränen versiegten. Alles war, wie sie es so oft im Jenseits gesehen hatte. Nun war sie nicht mehr Mion, sie war auch nicht mehr schön und Lyrian war nur noch ein Menschenjunge. Aber in den Augen des anderen waren sie mehr denn je. Ohne dass sie es merkte, verlor sie das Bewusstsein.
Als sie wieder zu sich kam, bedeckte kalter Schweiß ihren Körper, und alles drehte sich. Am Ufer entdeckte sie eine lange Flüchtlingskarawane. Gesichter blickten ihnen durch den Schneefall entgegen. Sie hatten schwer beladene Karren und Wagen dabei, in denen Verwundete lagen. Kinder liefen dem Zug voraus. Irgendwo sang ein Junge ein Lied aus den Ruinen... seine Stimme schwebte über den Fluss, eine geisterhafte Erscheinung der Vergangenheit, eine vage Hoffnung an die Zukunft. Mions Herz verkrampfte sich, als sie das Lied - und die Stimme -
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