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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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Brot als auch Speck hart und zäh waren.
    „ Ärgert dich der Zwischenraum wieder?“, fragte Elsa, als sie zusah, wie er sich abmühte.
    „ Es ist ein karges Abendessen“, sagte er, „aber es ist eins. Er hat mich auch schon hungern lassen.“
    Elsa probierte vorsichtig das Brot. Es war essbar. Der Speck war zäh, sie musste sehr nagen, um etwas abzubeißen, aber er schmeckte. Sie hatte nichts mehr gegessen, seit sie als Möwe den Fisch hinuntergeschlungen hatte. Es war höchste Zeit für etwas Anständiges – auch wenn es nur eine Erfindung des eigensinnigen Zwischenraums war.
    „ Er ist wie ein launischer Freund“, erklärte Nikodemia, „er ärgert mich und er beschenkt mich und er versucht mir zu schaden und dann tut es ihm leid und er schmeichelt sich wieder bei mir ein. Aber natürlich ist er kein Lebewesen. Er ist einfach nur da, ein Meer aus Möglichkeiten, das andauernd eine neue Gestalt annimmt. Vor allem ist er gefährlich. Man darf ihn nicht lieber mögen als die Wirklichkeit.“
    Elsa sah in Nikodemias funkelnde Augen und wusste Bescheid.
    „ Das fällt dir schwer, nicht wahr? Du magst den launischen Zwischenraum.“
    „ Das war schon immer mein Problem“, gab er zu. „Vor allem damals bei den Altjas. Ich war sehr unglücklich an dem Ort, von dem wir ursprünglich kommen. Ich habe mich oft in den Zwischenraum geschlichen. Wenn ich dann nach Wochen zurückkam, war ich manchmal nicht mehr ganz dicht.“
    „ Wer sind die Altjas?“
    „ Lehrer sind das. Anführer. Sie wissen alles besser. Sei sagen uns Raben, was wir tun dürfen und was nicht. Sie predigen uns, dass wir dem Bösen abschwören und ein selbstloses Leben führen müssen. Dort, wo wir herkommen, leben wir in Wohnwagen, verlassenen Häusern oder Zelten, irgendwo an Autobahnen oder in Industriegebieten. Wir leben an den schlechtesten Plätzen der bewohnten Gegenden, sind bettelarm und verleugnen unsere Fähigkeiten. Das verlangen die Altjas von uns. Sie selbst dürfen sich verwandeln und fliegen und was weiß ich. Weil sie die große, die überirdische Weisheit erlangt haben und niemandem schaden! Aber wir normalen Raben, wir dürfen das nicht. Die Altjas wissen auch ganz genau, wer an welchem Ort wiedergeboren worden ist. Dann holen sie einen und entscheiden, wo man leben soll. Sie sagen auch, mit wem man verheiratet war, und sorgen dafür, dass die Paare im neuen Leben wieder zusammenkommen. Sie geben uns Unterricht und sie beklagen sich über solche wie mich, die nicht einsehen wollen, dass sie es unglaublich gut getroffen haben.“
    Elsa hörte sprachlos zu. Nicht mal essen konnte sie, so verwundert war sie über das, was sie hörte.
    „ Du willst wissen, warum wir hier sind?“, fuhr er fort. „Das haben wir dir zu verdanken oder eher Angais, die du ja nicht mehr bist. Sie wollte unbedingt mitkommen in den Zwischenraum, weil ich ihr davon erzählt hatte. Natürlich hat sie dort nicht getan, was ich ihr gesagt habe. Sie ist in eine andere Richtung gelaufen als ich. Irgendwann kam sie an eine Grenze, die aussah wie ein verschwommener Stacheldrahtzaun. Ich wusste, dass es eine verbotene Grenze war. Ob mir das die Altjas beigebracht hatten oder ob ich es einfach wusste, weil ich es fühlte, daran erinnere ich mich nicht mehr. ‚Nicht anfassen!’, habe ich gebrüllt, als ich Angais am Zaun gefunden habe. Ich hätte es auch lassen können. Sie streckte ihre Hand danach aus und hatte Spaß daran, wie ihre Hand hinter dem Zaun verschwand. Bevor ich bei ihr war und sie festhalten konnte, ist sie durch den Zaun hindurchgelaufen. Es war kein echter Zaun, er sah nur so aus, und man konnte hindurchgehen wie durch Nebel oder Luft. Ich bin in Panik geraten, weil ich sie auf der anderen Seite nicht mehr gesehen habe. Also bin ich ihr gefolgt. Während ich durch diesen Zaun gegangen bin, habe ich gemerkt, dass alles anders wird! Die Welten haben sich rund um mich verschoben, der Zaun löste sich auf. Seitdem habe ich ihn nie wiedergesehen, vermutlich, weil es ihn von dieser Seite aus nicht gibt. Man kann von drüben nach hier gelangen, aber nicht umgekehrt. Es gibt keinen Rückweg.“
    „ Ich kenne jemanden“, sagte Elsa, „dem ist das Gleiche passiert. Er fand nie mehr zurück. Dort, wo er herkommt, sprechen die Menschen tausend unterschiedliche Sprachen!“
    „ Wer ist das? Ein Rabe?“
    „ Nein, Kamark. Ein Weltenführer.“
    „ Ach, einer von denen.“
    „ Er ist ganz nett“, sagte Elsa. „Wurden bei uns auch so viele Sprachen

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