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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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gesprochen?“
    „ Ja. Die Welten, aus denen wir kommen, bestehen aus Völkern, die nicht miteinander reden können. Sie sind einander fremd. Die Altjas sagen, dass das gut so ist. Sonst käme die Menschheit auf komische Gedanken. Man muss den Sterblichen Grenzen geben, damit sie nicht maßlos werden, sagen die Altjas. So wie auch wir Raben uns Grenzen auferlegen, um nicht dem Bösen zu verfallen. Wenn die Altjas wüssten, was die Rabendiener auf dieser Seite der Welten so treiben, dann würden sie mich zwingen, ihnen recht zu geben. Aber ich will nicht gefragt werden. Ich weiß nicht, was gut für uns ist. Und für die anderen.“
    „ Dann sind wir also zufällig in diese Welten gestolpert?“, sagte Elsa nach einigem Überlegen. „Deswegen gibt es nun mehrere Raben hier, obwohl es früher nur den einen gab? Den Raben, der jetzt bei Gaiuper im Zelt hängt?“
    „ Vielleicht sind wir ja gar nicht die ersten, die es hierher verschlagen hat“, meinte Nikodemia. „Aber du bist die erste, die ihren Feinden in die Arme gelaufen ist. Die Altjas sind nicht nur lästig, das musst du wissen! Sie haben uns eine Menge beigebracht, vor allem, wie man sich unauffällig verhält und seine Kräfte tarnt. Aber du warst ja erst sieben damals und hattest sowieso nicht viel Ahnung. Dann hat es dich erwischt und jetzt weißt du gar nichts mehr.“
    „ Du könntest mir beibringen, was ich wissen muss!“
    „ Ich bin kein Altja und auch kein Held in diesen Disziplinen. Aber ein paar Dinge, die kann ich dir schon zeigen. Es hat mit dem Denken zu tun. Du musst deine Gedanken bewachen.“
    Er gähnte. Im Gegensatz zu Elsa hatte er alles aufgegessen, was er sich zugeteilt hatte.
    „ Mach die Kerze aus, wenn du dich hinlegst“, sagte er zu ihr und schon ließ er sich auf seinen Teil der Decken fallen und wickelte sich darin ein.
    „ Gute Nacht“, sagte Elsa, bekam aber keine Antwort mehr.
    Sie knabberte an ihrem Speck, kaute geistesabwesend an ihrem Brot und wurde dann auf einmal auch sehr müde. Eigentlich hatte sie noch nachdenken wollen über all das, was Nikodemia ihr enthüllt hatte, doch die Bilder in ihrem Kopf schossen kreuz und quer durcheinander: Hier flog ein Rabe mit einem langen, weißen Bart (stellte sie sich so die Altjas vor?), dort ein Haus auf Rädern (sahen so Wohnwagen aus?) und über ihr erstreckte sich ein Himmel aus schwarzem Rauch (würde die verbotene Grenze kommen und sie plötzlich einholen?). Sie schaffte es gerade noch, die Kerzenflamme auszupusten und sich in eine Decke zu rollen. Dann schlief sie bis zu einem hellen Morgen, der keiner war. Doch er sah schön aus: Himmelblau mit weißen Wolken. Elsa sah es von ihrem Lager aus. Denn als sie aufwachte, war die Hütte verschwunden. Sie lagen im Gras einer saftigen Weide.
     
    Der Tag verging abwechslungsreich. Mal kam ein Wald über den Horizont geschlichen, dann tauchten spitze Hügel aus der Ebene auf. Gelbe Kornfelder verwandelten sich in violett blühende Moore, taunasse Wiesen in smaragdgrüne Seen, die sich unter turmhohen Tannen ausbreiteten. In einem Boot reisten sie durch einen sonnigen Morgen, der einen halben Tag lang dauerte, bis der Mond mit ein bisschen Nacht im Schlepptau vorüberzog, um einem Abend Platz zu machen, der trüb und regnerisch war. Nikodemia sprach nicht viel, während sie weiterzogen. Es war zu gefährlich, erklärte er ihr. Überall gab es Löcher im Zwischenraum, Fallen, Gräben, Abgründe. Ganz zu schweigen von den Möwen, die ab und zu flüsterten, sobald sie in die Nähe eines Tores gelangten.
    „ Man kann sie nur hören“, erklärte Nikodemia, als sie auf einer Insel Rast machten. „Sie sind blind im Zwischenraum und können sich nur mit Hilfe von Netzen und Schnüren darin bewegen, hauptsächlich im Umkreis von Toren. Dann hört man es rascheln und wispern. Ekelhafte Geräusche machen sie.“
    „ Ich habe nichts gehört“, sagte Elsa. „Ich sehe auch keine Löcher und Gräben.“
    „ Die sieht man nicht“, sagte er. „Die spürt man.“
    „ Ich spüre nichts.“
    „ Dann bist du unbegabt oder faul. Vielleicht gibst du dir keine Mühe.“
    „ Gibt es auch Ausgleicher im Zwischenraum?“
    „ Nein, das sind normale Menschen. Die komme nicht hierher.“
    „ Gibt es Rabendiener?“
    „ Das werden wir sehen. Ich hatte noch nicht das Vergnügen.“
    Die Sonne glitzerte im Sumpfwasser, das rund um die Insel gegen das Gras schwappten. Das sah so hübsch aus, dass es Elsa nicht weiter erschreckte, als hier und da

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