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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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spritzte, und hörte sich selbst, wie sie ab und zu ein paar gurgelnde Geräusche in der Tiefe verursachte.
    Dann auf einmal kehrte die Wirklichkeit zurück – oder das, was Elsa normalerweise dafür hielt – laut, scharf und plötzlich. Der Vorhang des Zwischenraums war zerschnitten und Elsa befand sich im grellen Tageslicht, halb ohnmächtig, auf dem Boden liegend, umkämpft. Sie lag im Gras auf fester, harter Erde. Wo, das wusste sie nicht, doch es musste sich um ein Tor in irgendeiner Welt handeln. Im nächsten Moment fiel ein verletzter Mann auf Elsa herab, mit offenem Mund und aufgerissenen Augen. Sie drehte sich gerade noch rechtzeitig zur Seite, um nicht mit voller Wucht getroffen zu werden. Nun lag sie auf dem Bauch und beschloss, sich aufzurappeln, doch dazu kam es nicht. Jemand riss an ihrem Arm, ein anderer gab ihr einen Tritt – so dachte sie – doch dann torkelte der Jemand haarscharf an ihrem Kopf vorbei und fiel vermutlich tot ins Gras, denn in seinem Rücken steckte etwas sehr Spitzes, ein Speer mit mehreren Dornen, wie ihn die Rabendiener benutzten.
    Elsa blieb liegen, das Gesicht ins Gras gedrückt, und versuchte sich auszumalen, was mit ihr geschehen würde, wenn sie nicht den Möwen, sondern ihren Dienern in die Hände fiel. Denn diese waren offensichtlich in einen Kampf mit den Möwen verwickelt und dabei, die Oberhand zu gewinnen. Ihr kamen die unterirdischen Verliese von Bulgokar in den Sinn. Was sie dort gehört hatte, wollte sie nie wieder in ihrem Leben hören und schon gar nicht am eigenen Leib erfahren. Aber es war nicht zu erwarten, dass Gaiuper sie auf nette und schnelle Art und Weise ins Jenseits befördern würde.
    So, und jetzt stolperte wieder einer über Elsa und versetzte ihr dabei einen ordentlichen Schlag. Immer noch wurde sie auf unsichtbare Weise festgehalten. Zwischenraumfäden waren um ihre Beine und Hüfte gewickelt und hinderten sie an jeder Form von Verwandlung oder Grenzüberschreitung. Wenig überzeugt, doch mit dem sicheren Gefühl, dass Herumliegen ihr gar nicht weiterhalf, bewegte sie ihre Hand durchs Gras und versuchte sich ein Messer zu hangeln, das dem Toten im Gürtel steckte. Sie musste sich sehr recken, um den Griff zu erreichen, doch dann hatte sie ihn und zog kräftig daran, bis sich die Klinge aus der Scheide löste. Dann setzte sie sich auf und fuhr herum, um die Möwen ausfindig zu machen, die sie festhielten. Es waren zwei Frauen, die zu ihren Füßen hockten, abgeschirmt und geschützt durch Kämpfer. Die Frauen bewegten die Arme in der Luft, sehr konzentriert, und wenn Elsa nicht ab und zu die Aufmerksamkeit in den Zwischenraum hätte gleiten lassen, dann hätte sie die beiden für verrückt gehalten. Doch so sah und spürte sie, wie fachmännisch sie gefesselt und den Rabendienern mehr und mehr entzogen wurde.
    Dann fiel ein Schuss. Eine der Frauen kippte vornüber. Die andere Frau zuckte zusammen, sichtlich erschrocken und schockiert, wendete jedoch den Blick und ihre Konzentration nicht von ihrer Arbeit ab. Elsa merkte, dass sie ein Bein bewegen konnte. Sie tat es nur ungern, doch da sie nicht wusste, wie sie sich sonst hätte befreien können, gab Elsa der noch lebenden Frau einen kräftigen Tritt, rollte sich dann noch einmal herum, um mit dem Oberkörper näher an die Frau heranzukommen, zog diese an ihrer Kleidung zu sich herab und hielt ihr das Messer an den Hals.
    „ Loslassen!“, befahl sie.
    „ Nein!“, erwiderte die Frau. „Niemals!“
    Dies war nun der Moment, der Feindin die Kehle durchzuschneiden, doch Elsa konnte es nicht. Vielleicht, weil die andere eine Frau war, die Elsas Mutter hätte sein können, oder weil dieser Frau der Angstschweiß auf der Stirn stand und sie vor Anstrengung zitterte und trotzdem entschlossen war, ihr Leben für die Sache der Möwen zu geben. Vielleicht auch nur, weil die Sonne schien und Elsa von einer seltsamen Gleichgültigkeit befallen wurde. Ihre Hand wurde schlaff, das Messer fiel herab. Für diesen einen Moment dachte Elsa, dass ihr eigenes Schicksal nicht von Bedeutung wäre. Die Hauptsache war doch, dass niemand das Sonnenlicht abschaffte und seine einzigartige Schönheit.
    Die Frau war überrascht. Elsa sah deutlich Zweifel in ihren Augen. Es gab keine bessere Gelegenheit, um die Zwischenraumfesseln loszuwerden, zumindest zum Teil, bevor sich die Gegnerin wieder gefasst hatte und genügend Konzentration aufbringen konnte, um Elsa zu binden. Es gelang Elsa, einen Teil der Zwischenraumfäden

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