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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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verbrennen gerade eine merkwürdige Faszination auf Elsa aus. Den Schmerz und die Zerstörung, die damit einhergingen, klammerte sie dabei aus. Es ging ihr vielmehr um die hitzige Auflösung ihrer selbst, die ihr schon mal widerfahren war. Sie erinnerte sich an etwas Erstrebenswertes, das mit der Körperlichkeit einherging. Elsas Gedanken sprangen hin und her, mal angezogen, mal abgestoßen von der Vorstellung lebendigen Fleisches. Es war ein Tanz wie auf heißen Kohlen, denn was sie in einem Moment erfreute, war im nächsten schmerzhaft oder gar abstoßend, Ekel mischte sich mit Glück, Gefangenschaft erschien ihr süß und beklemmend, Freiheit war eiskalt, Hoffnung wie ein Messer, das sich durch ihren Bauch bohrte. Einen Bauch, den sie gar nicht mehr hatte. Sie starrte das Wasser an, diesen Verlust überdenkend, als ein massives und gar nicht geisterhaftes Boot unruhige Wellen schlug und immer näher kam, was Elsa wütend machte.
    Es war die Wut, die sie nun schon kannte. Die Wut, die sich einstellte, wenn ein menschlicher Körper es wagte, sie mit seiner Gegenwart zu belästigten. In diesem Fall waren es gleich fünf Menschen, die Elsa zu einer unfreiwilligen Übungseinheit herausforderten, vier Männer und eine Frau.
    Zwei der Männer ruderten, die anderen beiden waren muskulöse, schwer bewaffnete Rabensoldaten. Nicht mal Gaiuper hatte eine solche Leibgarde gehabt. Die Frau, die am Bug des Bootes stand, verriet mit keiner Regung, dass sie das Wasser hasste und fürchtete. Zumindest hatte sie es früher gefürchtet, als sie noch Elsas Freundin gewesen war. Sinhine war erwachsen geworden, eine Kriegerin mit langen blonden Haaren, einem durchtrainierten Körper und einem Blick, der Elsa das Fürchten lehrte, obwohl sie doch eigentlich die Überlegene war. Sinhine trug ein Kleid, dessen goldene Stickereien sagenhaft teuer gewesen sein mussten, das sich aber geschmackvoll an ihren kraftvollen und dennoch überaus weiblichen Körper schmiegte. Sie war das, was Elsa nie gewesen war: eine beeindruckende Rabenkönigin mit goldenen Federn. Tegga war bestimmt nicht der einzige, der dieser Frau verfallen war. Trotzdem war es töricht von Sinhine, in dieser Art und Weise vor Elsa zu erscheinen. Zwar verweilte das Boot in einiger Entfernung vor Elsa auf dem Wasser, doch hätte Elsa ohne Weiteres übers Wasser schweben können und ihre Gedanken, die bösen und mörderischen, konnten das sowieso. Schon bei der Vorstellung wurde Elsa mulmig zumute und sie bemühte sich aufs Äußerste, ihre Gefühle und Gedanken zu kontrollieren.
    „Stimmt es, dass du Tegga getötet hast?“
    Sinhines Stimme war wie ihr Körper – stark, wohlgeformt und unbeugsam. Elsas Stimme dagegen war kaum erprobt. Zwar hatte sie geübt, der Geistergestalt den Ton zu verleihen, den es brauchte, um mit den Menschlichen zu reden. Aber auch hier war sie noch keine Meisterin. Sie versuchte es trotzdem und schüttelte sich innerlich, als sie den blechernen, hohlen Klang ihrer Worte vernahm.
    „Ja, ich konnte es nicht verhindern. Man ist sehr tödlich, anfangs.“
    Das sollte eine Warnung sein, doch Sinhine nahm davon keine Notiz.
    „Du erbärmliches, jämmerliches Wesen!“, schrie sie übers Wasser hinweg. „Das warst du schon immer, aber es ist noch schlimmer geworden. Eine Schande für deine Art. Du sollst also auf die andere Seite gehen? Ausgerechnet du?“
    „Ja, so sieht es aus.“
    „Armes Universum!“
    Elsa stellte fest, dass der Abstand zu Sinhine vieles einfacher machte. Zwar wehte ihr in regelmäßigen Abständen die Gegenwart von fünf sehr lebendigen Menschen ins Gesicht, doch all die Empfindungen, die damit verbunden waren – Schmerz, Abscheu, Neugier, Verwirrung, Kummer, Überdruss – ebbten zwischendurch ab, was ihr Erleichterung verschaffte.
    „Die Zeit wird knapp, Sinhine“, sagte Elsa. „Wenn du noch eine Ganduup werden willst, musst du jetzt damit anfangen.“
    „Was denkst du?“, fragte Sinhine voller Verachtung. „Dass ich keinen Stolz habe? Dass ich angekrochen komme, aus Angst um mein Leben? Ich bin nicht so ein Wurm wie du! Ich hätte es getan, um Tegga zu retten. Jetzt, da ich eine Wahl habe, wähle ich die Würde!“
    Sie sah tatsächlich sehr würdevoll aus, wie sie da im Bug ihres Bootes stand, und ein leichter Wind in ihrem blonden Haar spielte. Es machte Elsa aber auch ratlos, Sinhine so zu sehen. Länger als zwei Jahre waren sie unzertrennlich gewesen. Hatten alles zusammen gemacht: geübt, trainiert, gelernt,

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