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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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Ganduup, die in Elsas Wahrnehmung bläulich schimmerte. „Es wird noch normaler. Wir können gar nicht anders, als diese Bilder mit unseren menschlichen Erinnerungen zu verknüpfen. Dadurch sieht die Welt dann wieder so aus, wie wir sie in Erinnerungen haben. Zumindest wird sie ihr ähnlicher.“
    Die Ganduup lachte, aber nicht laut. Elsa wurde klar, warum die Ganduup immer so gefühllos und kalt gewirkt hatten. Ihre Empfindungen spielten sich auf einer anderen Ebene ab. Wenn ein Fisch lacht, sieht man das auch nicht. Aber eine Ganduup merkt, wenn eine andere Ganduup lacht. Das Lachen bewegt sich in Wellen durch alles hindurch.
    Zehn Tage nach ihrer Verwandlung brachte Elsa es fertig, ihr Krankenzimmer zu verlassen. Sie wusste natürlich, dass sie kein Krankenzimmer brauchte, das war nur ihre Vorstellung. Daher hatte sie die ganze Zeit als ein sich windender Geist auf ihrem Bett gelegen, bis sie es fertigbrachte, die Tatsache zu akzeptieren, dass sie nie wieder in einem Bett würde schlafen können. Schlafen tat nur ihr fast toter Körper, den man in den Kellern der Festung aufgebahrt hatte, so wie die anderen Körper der Ganduup. Als Elsa sich erkundigte, ob sie ihren schlafenden Körper sehen dürfe, wurde ihr dringend davon abgeraten.
    „Es wäre nur eine Qual, glaub mir. Du brauchst deine Kräfte für etwas anderes.“
    Der erste Schwebe-Spaziergang durch die Festung war schön und schrecklich zugleich. Schön, weil Elsa das helle Licht der Sonne genoss und ihre Schwerelosigkeit. Schrecklich, weil ihr die Schwere fehlte und alles, wonach ihr Körper früher einmal verlangt hatte. Essen, Trinken, Luft, Schlaf, Wärme – Elsa hatte das Bedürfnis, diese Sehnsüchte zu stillen, aber das war weder notwendig noch möglich. Was ihr kalter Körper unten in der Festung brauchte, bekam er von den Ganduup, die für die Pflege der Körper zuständig waren. Das, was hier oben herumschwebte, war bedürfnislos. Nur das Licht kam einer Nahrung gleich, da es die Seele streichelte und sie besänftigte.
    „Menschen aus Fleisch und Blut stellen eine Herausforderung für uns dar“, erklärte eine Ganduup auf die ihr eigene, wortlose Weise. „Sie quälen uns, alleine durch ihre Gegenwart. Wir können nichts mehr riechen und doch ist es, als belästigten sie uns mit einem unerträglich schweren, fleischigen Geruch. Das kommt daher, dass sie uns stark an den Verlust unserer Körper erinnern. Der allgegenwärtige Schmerz, den unsere sterbenden Körper verursachen, wird in solchen Momenten schlimmer. Deswegen neigen Ganduup dazu, fleischliche Wesen zu töten, um nicht von ihrer Anwesenheit gequält zu werden. Du musst üben, fleischlichen Menschen gegenüberzutreten und sie am Leben zu lassen. Du musst sie erdulden.“
    „Wozu?“, fragte Elsa ebenso wortlos zurück. „Es ist doch nicht mehr von Bedeutung, ob wir sie töten oder nicht.“
    „Doch, für unser Ziel ist es von Bedeutung. Die Fleischlichen sind unsere Feinde, sie versperren das Tor, durch das wir gehen wollen. Wenn wir sie mit Gewalt besiegen wollen, kann das noch Jahre dauern. Jahre, in denen wir teure Ganduup an die Sterblichkeit verlieren. Wir wollen bewirken, dass sie das Tor möglichst bald und freiwillig öffnen. Es wäre der Sache nicht zuträglich, wenn wir diejenigen ermorden, mit denen wir verhandeln wollen.“
    Wieder ein Ganduup-Lachen, in das Elsa mit einstimmte. Wellen, die an der Meeresoberfläche tanzten. So fühlte es sich an.
    „Es ist immer gefährlich zu üben“, fuhr die Ganduup fort. „Wir möchten dir vorschlagen, dass du jemanden dafür aussuchst, um den es nicht schade ist, wenn du versagst. Wir haben da eine Person im Sinn.“
    „Tegga“, erwiderte Elsa. Längst wusste sie, dass er gemeint war, denn in der Ganduup-Sprache kamen die Informationen eimerweise angeflogen. Da wurden keine Mitteilungen in Sätze gepackt und dann verschickt, sondern ein Ganduup nahm teil am Wissen eines anderen Ganduup. Dies vollzog sich schnell. Von einem Gespräch zwischen Ganduup konnte also keine Rede sein, doch in der Wahrnehmung fühlte es sich doch manchmal so an, denn die menschliche Gewohnheit von Rede und Gegenrede, Frage und Antwort, ließ sich nicht so leicht ablegen.
    Elsa nahm also den Vorschlag zur Kenntnis und zeigte sogleich ihr Einverständnis. Sie war so beschäftigt damit, zurechtzukommen und sich an ihre Ganduup-Existenz zu gewöhnen, dass ihr Teggas Schicksal herzlich egal war. Die Zeit aller Welten lief ab, der Zeiger näherte sich dem

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