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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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erst mal schwarz fahren. Nicht dass er sich große Hoffnungen machte, dass seine Eltern für die piefige Wohnung in der Friedlebenstraße zehn Jahre lang die Miete weiterbezahlt hatten. Aber er konnte ja mal gucken. Der alten Zeiten wegen. Komisch. Irgendwie hatte er immer noch Heimweh. Er war so wahnsinnig froh, wieder hier zu sein. Trotzdem bemerkte er einen unheilbaren Bauchsc hmerz am Herzen. Bedauern. Zwei mal zwei Zentimeter groß, mindestens. So lange er nicht überall sein konnte, wo er jemals gewesen war, würde ihm immer etwas fehlen.
     
    ROMER verstand beim besten Willen nicht, was Golo Generat dazu veranlassen könnte, seine Frau zu küssen. Vielleicht tat er es ja auch schon lange nicht mehr, die beiden waren schließlich seit zwanzig Jahren verheiratet. Dabei war Sistras Ausstattung nicht schlecht. Sie hatte eine gute Figur und ein schönes Gesicht, sogar Sommersprossen auf der Nase. Aber all das war so kalt und hart und wie aus Stein gemeißelt. Sie gab sich auch keine Mühe mit ihren Haaren, sondern versiegelte sie in einem perfekt gewickelten Knoten am Kopf, tagein, tagaus. Romer hatte noch nie erlebt, dass sich auch nur eine Haarsträhne aus dieser Konstruktion löste. Sie legte Wert auf ein gewisses Maß an Eleganz, um ihren Status zu unterstreichen. So trug sie in dieser eiskalten Welt, in der sie ihren Stützpunkt eingerichtet hatte, einen bodenlangen, dicken Mantel mit hohem Kragen, der sie hochherrschaftlich aussehen ließ, während die meisten anderen sich vermummten und in Decken wickelten, sobald sie sich im Freien aufhielten, weil die Kälte einem sonst bis ins Mark kroch. Es gab nichts, aber auch gar nichts an Sistra, was Romers männliches Feuer hätte anfachen können. Keine Schwäche, keine Hilflosigkeit, keine Anmut. Golo Generat konnte einem nur leid tun.
    „Da bist du ja!“, sagte das Weib, zehn Stufen über ihm stehend und nicht in der Lage, ihm auch nur eine Treppenstufe entgegenzukommen. „In Sommerhalt hat es ein schweres Erdbeben gegeben. Tu mir den Gefallen und schau nach Amandis. Ich bin in Sorge.“
    Sie war also in Sorge. Vermutlich stand es auf dem ellenlangen Zettel ihrer Verpflichtungen. Irgendwo zwischen ‚zehntausend Möwen durch das Universum scheuchen’, ‚andere Möwen-Herrscher demontieren’ und ‚auf dem inoffiziellen Weg in Antolia mitmischen’ stand ganz verloren an dreiundneunzigster Stelle: ‚in Sorge um Amandis sein’. Aber Sistra war zuverlässig. Auch Punkt 93 wurde gewissenhaft abgehakt. Romer war dafür gut genug.
    „Es dürfte dir schwer fallen, das richtige Tor zu treffen“, sagte sie. „Ich gebe dir zwei von meinen Leuten mit.“
    „Mit Verlaub, bisher habe ich das Tor immer getroffen“, erwiderte Romer.
    „Ja, aber die Lage hat sich geändert. Die Tore sind verschoben, man braucht Übung, um sie zu finden. Wenn du dich an die neuen Verhältnisse gewöhnt hast, kannst du dich auch wieder frei fühlen, aber jetzt will ich sicher gehen, dass du ankommst. Sag Amandis, dass sie beruhigt sein kann. Der Krieg ist vorbei und Brisa wird über kurz oder lang wieder mir zugesprochen werden.“
    Romer war überrascht.
    „Der Krieg ist vorbei?“
    „Wie es aussieht, ja. Das letzte Tor ist verschwunden, der Feind auch. Mit dem Tor ist auch die Grenze verschwunden, die uns vom anderen Universum getrennt hat. Daher die Verschiebung der Tore. Anbars und meine Strategie, die Raben zu schützen, ist aufgegangen. Wir sind die Sieger der ganzen Auseinandersetzung, vorausgesetzt, er hat es überlebt.“
    „Warum? Was ist ihm denn zugestoßen?“
    „Jemand hat einen Raben und die Ganduup durch das letzte Tor gelassen. Die Sicherheitsvorkehrungen kann man aber nur außer Kraft setzen, wenn man vor Ort ist. Es gab Todesopfer unter den Möwen, die sich dort aufgehalten haben. Im Zwischenraum, wohlgemerkt. Ich fürchte, alle Hochwelt-Soldaten, die direkt im Sperrgebiet stationiert waren, sind tot.“
    Romer brauchte etwas Zeit, um all das zu begreifen. Mehr Zeit als die wichtige Sistra für ihn hatte.
    „Geh jetzt“, sagte sie,  „und gib mir gleich Bescheid, wenn du wieder da bist.“
    Sie drehte sich um und kehrte zu der großen Tür zurück, die in die behagliche Wärme der Festung führte. Da fiel Romer noch etwas ein, das er unbedingt wissen musste:
    „War es Elsa? Wo ist sie jetzt?“
    „Das weiß nur sie allein.“
    Sistra verschwand hinter der Riesenpforte, die von drei Männern aufgehalten wurde. Als die Tür zufiel, gab es einen dumpfen

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