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Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition)

Titel: Rabenschwärze - Der Grubenmann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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das Tor und seine Beschaffenheit. Es war kein neues Tor, sondern ein stabiles, altes. Es befand sich an der komplett falschen Stelle. Eine Frau meldete Zweifel an, ob das Tor gefahrlos zu verwenden sei. Es könne aufgrund der Erschütterungen Fehler aufweisen. Man diskutierte. Morawena mischte sich nicht ein, sondern ging vom Tor weg in ein weites Feld aus Staub und Menschen und Morgendämmerung.
    Während sie ziellos voranschritt und sich über den merkwürdigen Himmel wunderte, der hinter der dicken, braungrauen Luft bläulich leuchtete, schlussfolgerte sie, dass dies Feuersand sein musste. Nur so ließ sich das Aufgebot an Hochweltsoldaten erklären. Was sich nicht erklären ließ, war das Chaos, das hier herrschte. Niemand gab Befehle, nirgendwo schien eine Mitte zu sein, die verteidigt oder abgesichert werden musste. Endlich fand Morawena etwas, das sie wiedererkannte. Es war ein Fenster. Das einzige Fenster in dem Rest von Mauer, der noch stand. Es war das letzte Fenster von Trotz.
    Sie blieb verwundert stehen. Trotz war eine Burg, die ein halbes Jahrtausend überstanden hatte. Die ursprüngliche Burg, von der immer noch ein paar Steine im Untergrund existiert hatten, war angeblich vor dreitausend Jahren errichtet worden. Nada hatte diesen Ort geliebt. Es war seiner gewesen, denn er war der Prinz von Narben. Niemand schätzte Narben. Es war nur eine hässliche, unfruchtbare Landschaft rund um Feuersand. Aber in Nadas Nähe gewann das tote Land an Leben. Dann versteckten sich Geschichten und Träume hinter jedem dürren Grashalm. Nada wusste immer etwas zu erzählen. Wenn er es tat, verknisterten die Holzscheite im Kamin zu sprechendem Rauch. Doch das war Vergangenheit. Narben hatte sich verändert und Trotz war gefallen.
    Flockig, dick und braun zogen die Schwaden über die Erde. Dass ein Tor gefunden worden war, sprach sich schnell herum. Morawena hörte, wie die verwirrten Soldaten sich gegenseitig Hoffnung machten. Hier gab es nichts mehr zu bewachen, das schien offensichtlich. Womöglich könnten sie bald in die Hochwelten zurückkehren. Etwas rasselte merkwürdig in Morawenas Nähe und sofort erkundete sie mit allen Sinnen den Zwischenraum, so wie sie es von ihrer Mutter gelernt hatte. Es war ein Fehlalarm, zum Glück. Das Rasseln stammte von einer gewöhnlichen Kette, die jemand versehentlich mit sich schleifte und nun abstreifte. Sie mochte aus den Ställen von Trotz stammen, die es nun auch nicht mehr gab.
    „Kommt mal alle her!“, rief eine Soldatin. „Ihr werdet es nicht glauben!“
    Die Frau hatte niemanden Bestimmtes angerufen, sondern eine Hand voll Menschen, die in der Gegend herumstanden und zu denen auch Morawena gehörte. Sie alle folgten der Aufforderung und gingen mit der Frau zu einem Loch, das vom Erdbeben in den Boden gerissen worden war. Auf den ersten Blick sah es aus wie ein Loch. Auf den zweiten Blick erkannte Morawena eine Treppe, die in die Tiefe führte. Waren die Stufen oben noch dunkel, so lagen die Stufen weiter unten im Sonnenlicht.
    „Eine Ruine?“, fragte ein Mann.
    „Mehr als das“, antwortete die Soldatin. „Eine ganze Stadt.“
    Morawena lief mit den anderen Menschen die Treppe hinab. Als sie die Schatten des ersten Engpasses hinter sich gelassen hatte, wurde sie von Licht getroffen und eine unerwartete Aussicht brachte sie plötzlich zum Stillstand. Denn der ganze Himmel öffnete sich über ihr und unterhalb breitete sich eine Stadt aus, die kraterförmig in die Tiefe wuchs. Wie ein Amphitheater, nur in städtischer Größe, bestehend aus Tausenden von Häusern. Die Häuser waren aus hellem Stein erbaut, teilweise auch aus den Felsen geschlagen. Morawena erkannte Gebäude im ältesten antolianischen Stil. Nur waren die Häuser kleiner und ihre Anordnung viel verschachtelter als es Morawena aus den altehrwürdigen Stadtvierteln Antolias kannte.
    Mehr als unwirklich lag diese Stadt aus der Vorzeit im getrübten Sonnenlicht unter dem Staubnebel. Hier und da war die Luft klarer und man konnte die Einzelheiten deutlich erkennen. An einer Stelle war ein großer Baum aus den aufgesprungenen Steinen gewachsen. An einer anderen Stelle bedeckten Kletterpflanzen einen ganzen Platz mitsamt Statuen oder Brunnen. Die meisten Häuser und Treppen aber waren von Bewuchs und Verfall verschont geblieben. Es wirkte, als sei die Stadt vor nicht allzu langer Zeit verlassen worden, und doch wusste Morawena, dass das nicht sein konnte. Die Schatten, in die sie hinabstieg, als sie ihren

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