Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)
spürte der Unruhe hinterher, die den ganzen Tag über in ihr herumgekrochen war und die sie selten trog.
»Geben Sie uns den Schlüssel?« Felix’ Stimme war behutsam, leise, Christian gab ihm den Schlüssel, schaute ihn fragend an.
»Vielleicht …«, sagte Dorothee und stockte. »Ich habe so große Angst.«
Franza nickte. Ja, dachte sie, das glaub ich gern. »Mein Kollege und ich«, sagte sie, »wir gehen jetzt hinein. Sie warten hier.«
»Aber …«, wandte Christian ein, Franza hob die Hand, er verstummte.
Sie gingen hinein, Felix und Franza, vorsichtig gingen sie hinein, auf alles gefasst. Aber … nichts. Sie riefen Lillis Namen. Nichts. Schauten in alle Räume. Nichts. Die Wohnung war leer.
Franza ging zur Tür. »Nicht, was Sie befürchtet haben, Frau Brendler. Die Wohnung ist leer.«
Franza sah die Erleichterung in den Gesichtern. »Kommen Sie«, sagte Franza, »schauen Sie sich um. Ist irgendetwas anders als sonst?«
Sie betraten die Wohnung, gingen langsam von Raum zu Raum, schauten sich um. Der AB blinkte. »Das bin ich gewesen«, sagte Dorothee, »ich hab mindestens fünfmal angerufen und draufgesprochen.«
Franza nickte. »Wir werden ihn trotzdem abhören.«
Im Schlafzimmer wurde Christian blass. »Oh mein Gott«, sagte er leise, starrte auf das Tischchen neben dem Bett. Da lag ein kleines Buch, Ledereinband, rot, mit einer blauen Schnur umwickelt.
»Was ist?«, fragte Herz gespannt. »Was ist Ihnen aufgefallen?«
»Das Buch«, sagte Christian und seine Stimme zitterte. »Das ist Gertruds Tagebuch. Ich habe es zuletzt in unserem Schlafzimmer gesehen, ein paar Stunden vor …«, er stockte, »bevor sie … als sie noch gelebt hat.«
Nein, dachte Franza, nein, das nicht.
»Sie kennen es? Sie wissen, was drinsteht?«
»Nein«, sagte er, »ich kenne es nicht. Ich habe keine Ahnung, was drinsteht. Ich habe es vor Jahren einmal gesehen, hatte es kurz in der Hand. Gertrud ist fast ausgeflippt, dabei wollte ich gar nicht darin lesen, mir hat einfach nur der Einband gefallen, aber …«
Er stockte, fuhr mühsam fort. »Sie hielt es immer verborgen, all die Jahre, ich weiß nicht, wo, es war auch völlig egal, ich hab nie daran gedacht. Aber in dieser Nacht lag es am Boden neben dem Bett und ich habe es wiedererkannt.«
»Sind Sie sicher? Vielleicht täuschen Sie sich.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich täusche mich nicht. Ich wünschte, ich täuschte mich, aber ich täusche mich nicht. Ich weiß noch, dass ich mich gewundert habe, es wiederzusehen. Dass ich gedacht habe, damit also hat es zu tun. Darin hat sie über Hanna und ihre … Liebe geschrieben.«
Wieder stockte er. »Und jetzt … ist es hier?«
Er wandte sich um, schaute Franza an, schaute Felix an, die Frage lag in seinen Augen.
»Sie ist da gewesen?«
Dorothees Stimme war ganz klein, ein Wispern, ein Hauch. »Lilli? In dieser Nacht? Nein, das kann nicht sein. Das kann nicht sein! Du täuschst dich, Christian. Bestimmt. Du musst dich täuschen! Das kann nicht sein! Gertrud muss es Lilli vorher gegeben haben! Bestimmt!«
Er wandte sich ihr zu, schaute sie an, sie verstummte.
»Wir haben jetzt nicht wirklich Grund, uns Sorgen zu machen«, sagte Herz, nachdem sie Christian und Frau Brendler fast gewaltsam weggeschickt hatten. »Ich meine, was haben wir hier? Eine leere Wohnung. Eine junge Frau, die sich seit ein paar Stunden nicht zu Hause gemeldet hat. Und das soll ungewöhnlich sein? Findest du wirklich? Da müssten wir ständig und immerzu im Einsatz sein.«
Sie musste es einräumen, Franza, wenn man es so sah …
Aber dann hörten sie den AB ab und fanden einen Brief von einem Labor, der besagte, dass es keine genetische Übereinstimmung gab zwischen den beiden untersuchten DNA -Proben, dass es sich bei den Testpersonen also keinesfalls um Mutter und Tochter handeln könne. Sie überflogen das Tagebuch und fanden eine Adresse, die ihnen bekannt war. Sie schickten Arthur zu dieser Adresse, um nachzufragen, ob jemand Lilli dort gesehen hatte. Und ja, jemand hatte sie dort gesehen.
»Hm«, sagte Herz nachdenklich und räusperte sich. »Jetzt haben wir wirklich Grund, uns Sorgen zu machen.«
… manchmal ist alles sehr schwer … schrieb alien one spätnachts, als sie nicht schlafen konnte, weil Lilli, diese Kröte, Dinge angepackt hatte, die zu groß für sie waren, weil Lilli, diese Kröte, sich ihr, Franza, nur halbherzig anvertraut hatte, weil ihr, Franza, offensichtlich nicht gelungen war, was ihr
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