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Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Titel: Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)
Autoren: Gabi Kreslehner
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Leuchten, das noch irgendwo festhängt.
    Denn das versteh ich, das ist mir vertraut, das kann ich so gut verstehen, so gut, und also verweile ich Morgen für Morgen an dieser Linie. Schiffe tuten vorbei mit Nebelhorngeplärr, aber selbst sie werden klein in der weißen Dichte dieses Nebels. Im Hintergrund kreischen die Donaumöwen, tänzeln leichtflügelig durch das Plustereis der Nebelschwaden und Angler lassen ihre Schnüre ins Wasser surren, dass es klingt, als ob Trillerpfeifen pfiffen.
    Ja, es zieht mich immer wieder an die Grenzlinie, der Fluss lockt, der Nebel, alles ist unbestimmt, vage, wie ein Gang ohne Ziel. Hier kann ich Tonio sehen, manchmal, auch Gertrud, sie stehen und winken mir zu, aber ich weiß, sie sind nur Schimären. Wenn ich sie lange genug angeschaut habe, drehe ich mich um und sehe die Weiden, die Spuren im Sand, bin zurück in der Wirklichkeit.
    Was geschehen ist, ist geschehen. Sie gehen. Tonio. Gertrud. Sie gehen, verlieren die Konturen, lösen sich auf. Es ist der Nebel, der das macht, er hängt seine Flöckchen über sie und dann … Es ist gut, dass sie gehen. Es ist Zeit.
    74 Erpressung also. Man hatte ihn gesehen. Egal. Es war ohnehin schon alles kaputt. Aber er hatte ihr das einfach nicht länger durchgehen lassen können.
    Seit zwei Tagen blutete er unregelmäßig aus der Nase. Anfangs hatte er sich hingelegt und das Blut war in den Hals zurückgeflossen, zurück in seinen Körper und er hatte geschluckt und geschluckt, aber dann musste er husten und Spucketröpfchen, vermischt mit Blut, sprangen aus seinem Mund, saugten sich in den Stoff der Kissen, kleine und große Sprengsel seiner Unachtsamkeit, seiner Hilflosigkeit, seines Zorns. Hinterher hatte er sich über die Sauerei geärgert und die Kissenbezüge in den Müll geworfen.
    Bei der nächsten Blutung hing er von Anfang an über dem Waschbecken im Badezimmer und starrte in das hell leuchtende Rot, das in tausend kleine Tröpfchen zersprang.
    »Ich werde ihr alles sagen, dann wird sie dich vernichten, deine heilige Hanna«, hatte sie ihm wütend ins Gesicht geschleudert.
    »Und du«, hatte er gefragt, »hast du nicht genauso viel zu verlieren?«
    »Ich?«, hatte sie hysterisch aufgelacht. »Ich bin schon vernichtet. Ich habe schon alles verloren.«
    Dann geschah, was geschah.
    Im Taumel des abendlichen Lichts wollte er um sie weinen. Er hoffte auf Regen, da zerfaserte das Licht und löste sich in kalten Schlieren auf. Im Dom wollte er um sie weinen, im matten Leuchten der Kerzen, wenn die Gläubigen langsam und leise den Mittelgang entlanggingen. Geruch von Weihrauch würde sich mit Ausdünstungen klammfeuchter Kleidung mischen, manchmal eine lautere Stimme, manchmal eine fremde Sprache.
    Ach Gertrud, hatte er gedacht und in ihr Schweigen gestarrt. Eine Sekunde, hatte er gedacht und in der Kälte gefröstelt, die sie plötzlich verströmte, eine Sekunde lass mir. Um mich zu sammeln. Schließ die Augen, hatte er gedacht, ach Gertrud, und tat es für sie, bist meine Gertrud doch auch gewesen.
    Sie war außer sich, als er kam, beschimpfte ihn, machte ihm Vorhaltungen, sagte, sie würde alles auf den Tisch bringen, unbestechlich und klar wie Cellophan.
    Irgendwann war es zu viel. Er flippte aus. Schrie. Wie ein Tier, das in die Enge getrieben war. Wie um sein Leben. Als wisse er nicht, dass es nicht um ihn ging, sondern um sie, um ihr Leben. Fühlte eine Hitze in sich, einen Zorn, eine Verzweiflung. Plötzlich, das Messer in seiner Hand und ihrer beider Staunen.
    Er wusste nicht, wie es in seine Hand geraten war. Es fühlte sich kühl und sachlich an, er wurde selber kühl, ruhig und klar. Eine kurze Sekunde des Zögerns noch. Eine winzige. Er sah die Angst in ihren Augen, als sie zu spüren begann, dass er bereit war, dass es ihn nichts mehr kosten würde, nur eine kleine Überwindung. Sie begann zu zittern. »Nein«, sagte sie, »das kannst du nicht. Ich bin es doch. Ich!«
    Er sagte nichts, er schaute in ihre Augen, das Flackern darin wurde groß und mächtig, wurde zum Sturm, der über sie hinwegbrauste und endlich … endlich … in die Stille brachte. Er stach zu. Sie ging zu Boden. Und lag sterbend ausgestreckt auf den Fliesen in der Küche.
    Sie hörte wohl das Messer noch, als es auf den Boden klirrte, sie hörte vielleicht den leisen Ton in der Luft, dann hörte sie nichts mehr. Nicht ihr Keuchen, nicht ihr Klagen. Nichts mehr. Der Tod schluckte all ihre Geräusche, machte sie ruhig, machte sie leise, machte sie
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