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Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Titel: Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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Welt.
    Endlich kam er, später als gestern, wirkte grau um die Nase, mitgenommen, hatte wohl auch von anderer Seite schlechte Nachrichten bekommen. Er setzte sich an den Tisch, an dem er auch gestern gesessen hatte, bestellte einen Sherry, vertiefte sich in keine Zeitung, starrte lediglich vor sich hin, bemerkte sie nicht, obwohl sie ihn nun schon den zweiten Tag hier beobachtete.
    Eigentlich kränkte sie das ein bisschen. Sie sah super aus, warum bemerkte er sie nicht? Männer sind dumm, dachte sie, dumm wie Stroh, Männer verdienen, was ihnen geschieht. Sie grinste aufs Neue. Und manchmal geschieht ihnen ja auch was Nettes. Aber halt nicht immer. Geht ja gar nicht. Wäre ja langweilig.
    Sie kicherte leise, und plötzlich hob der Mann den Kopf und schaute in ihre Richtung. Kurz erstarrte sie, spürte ein Kribbeln im Körper. Wurde es jetzt spannend? Sah er sie? Konnte das sein?
    Nein, er blickte durch sie hindurch wie durch ein Stück Glas. Seine Gedanken irgendwo, seine Blicke leer.
    O.k., dachte sie, du verdienst es nicht anders. Du wirst bluten.
    Der Mann rief den Kellner, bezahlte, stand auf und ging. Sie folgte ihm langsam. Er ging den gleichen Weg wie gestern, bedächtig, nachdenklich, als hätte er alle Zeit der Welt. Keine Überraschung. Langweilig. Abgewrackter alter Sack eben.
    Kristin fühlte sich sicher. Der nächste Schritt war gesetzt. Sie hatten nicht alle Zeit der Welt, keiner hatte das. Er … schon gar nicht mehr.
    Die Kleine? Die Kleine war außer Gefecht gesetzt. Die würde ihnen nicht mehr in die Quere kommen.
    70 Er hielt den Brief in Händen. Man konnte es Brief nennen, wenn man wollte. Eigentlich war es nur ein Zettel in einem Kuvert. Es zerfällt also wirklich alles, dachte er, nichts bleibt.
    Er lehnte den Kopf zurück, schloss die Augen, blieb eine Weile so sitzen. Schließlich holte er das Handy heraus, schrieb eine SMS , drückte auf Senden.
    71 »Sie kriechen mir ins Gehirn«, sagte Tonio und starrte in den aufdämmernden Tag vor dem Fenster. »Ich kann sie nicht mehr ertragen.«
    »Wer?«, fragte sie. »Von wem redest du?«
    Sie kuschelte an seiner Schulter, er hatte den Arm um sie gelegt, spielte mit ihren Haaren.
    »Die Kranken«, sagte er, »die Kranken auf meiner Station. Die Sterbenden. Sie sterben alle. Manchmal zwei am Tag. Manchmal keiner. Aber irgendwann sterben sie alle.«
    Sie legte ihm ihre Finger auf den Mund. »Wenn ich sie zählen müsste«, sagte er und stupste mit den Lippen daran, verteilte gedankenlose kleine Küsse darauf, »wenn ich sie zählen müsste, ich wüsste keine Zahl.«
    »So viele?«, fragte sie leise.
    »Ja«, wiederholte er. »So viele.«
    »Bist du deshalb los? Deshalb verschwunden?«
    Er dachte nach, nickte. »Ja«, sagte er, »wahrscheinlich deshalb. Weil ich es nicht mehr ertragen habe. Weil es nicht mehr gegangen ist. Weil ich gespürt habe, dass ich verrückt werde. Aber hier …«
    War alles besser geworden. Gut beinahe.
    Er erzählte ihr von dem Zorn, der in seinen Eingeweiden rumort und den auch sie damals gespürt hatte und dass dieser Zorn sich in der Wohnung des Großvaters aufgelöst hatte. Als die Wohnung immer leerer und stiller geworden war, war auch er immer leerer und stiller geworden.
    »Irgendwie«, sagte er, »haben sie mich ein bisschen gerettet, mein Großvater und mein Vater. Und ich weiß, das klingt schrecklich pathetisch, aber irgendwie haben sie mir ein neues Leben geschenkt.«
    »Ja«, sagte sie trocken, »stimmt. Das Leben eines Gangsters, hinter dem die Polizei her ist. Auch was. Und eines glatzköpfigen noch dazu.«
    Er grinste. »Na ja«, sagte er, »man kann nicht alles haben. Willst du dich etwa beschweren, Gangsterliebchen?« Und begann sie zu kitzeln. Sie wand sich in seinen Händen.
    »Nein«, lachte sie. »Hilfe! Nein! Hör auf damit!«
    Er gehorchte, sie umarmten sich erneut. Stille. Sie barg ihren Kopf an seiner Schulter, spürte seine Lippen an ihrem Kopf.
    »Ich wäre dazu nie in der Lage gewesen«, sagte sie leise, »auf so einer Station zu arbeiten. Dem Tod zuzusehen. Das war mir immer klar. Und dich habe ich bewundert dafür, dass du es konntest. Weißt du das?«
    »Nein«, sagte er, »das wusste ich nicht. Im Gegenteil, ich habe mich immer gefragt, warum eine Frau wie du eigentlich mit mir zusammen sein wollte. Das konnte ich gar nicht verstehen.«
    »Eine Frau wie ich?«
    »Ja. Taff, klug, schön, ehrgeizig.«
    »Bin ich das für dich?« Sie hob den Kopf und schaute ihn an.
    »Ja«, sagte er, »das bist

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