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Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Titel: Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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ihr Körper sein Krug sei, seine Kanne. Dass seine Seele sich in ihr gefunden habe, endlich, und sein Herz, endlich, erwacht sei. Dass er zerfalle ohne sie. Und sich auflöse ohne sie. Als hätte er niemals gelebt. … als hätte ich niemals gelebt …
    Verrückt, dachte der junge Tonio, was seid ihr verrückt gewesen, und fragte sich, wie es sich wohl angefühlt hatte, und merkte, dass er ein Gefühl dieses Ausmaßes noch nie erlebt hatte, was eigentlich schade war, denn es musste … unvergleichlich sein, und die Geigen fuhren ihm in die Knochen, die Geigen vom Plattenspieler, wie klagende Sommermale. … geliebte hanna  …
    Er strich über ihr Gesicht, ihr helles, junges Rothaarigengesicht auf den Fotos, dann über das andere Gesicht, Gertruds, und fragte sich, was sein Vater wohl für sie gewesen war, welche Rolle sie für ihn gespielt hatte und wie merkwürdig es war, dass all diese Ereignisse nun so spät auch noch in sein, Tonios, Leben drangen.
    Irgendwann kam ihm diese Idee, dieser Wunsch, mehr, alles wissen zu wollen, wissen zu müssen, und weil er ahnte, dass die Briefe ein Schlüssel waren, beschloss er, diesen Schlüssel erneut zu verschicken.
    Es war einfach, die Adressen herauszufinden, Gertrud lebte immer noch in dieser Stadt und Hanna hatte ihren Namen nicht geändert. An Hanna schickte er zwei der Briefe. Gertrud sprach er in der Allee zu ihrem Haus an und merkte an ihrem Erschrecken, dass die Fährte heiß war. Sie versuchte ihn abzuschütteln, aber das ließ er nicht zu, begann sie auszuspionieren, verfolgte sie. Er setzte sich in das Café, das sich gegenüber von ihrem Töpferladen befand. Als sie um neun kam, um aufzusperren, saß er schon da beim ersten Kaffee, schaute ihr zu, wie sie einen Ständer herausstellte, an den sie Tassen hängte und Schmuck. Das Wetter war anhaltend schön, sie klappte draußen vor der Tür einen Tisch auf, um an ihm zu arbeiten, formte kleine Figuren, Schmuckperlen. Kluge Taktik, dachte er, so lockt sie Kundschaft an.
    Und so war es, Touristen blieben stehen, redeten mit ihr, schauten zu, sie erklärte und zeigte, lächelnd, freundlich, gut gelaunt, und oft gingen sie dann weiter mit neu erstandener Töpferware.
    Tonio mochte nicht, wenn Leute stehen blieben. Sie verstellten ihm die Sicht auf sie, er aber wollte einen freien Blick. Also zahlte er und suchte sich bessere Plätze, wagte sich näher heran, tat, als suche er am Zeitungskiosk nach Zeitungen, Zeitschriften, stellte sich ums Häusereck und rauchte eine Zigarette, tat, als sei alles zufällig, als seien das völlig normale Augenblicke in seinem Leben und nicht, wie es wirklich war, als bliebe die Zeit stehen, als begänne alles neu.
    Er wollte sehen, wie sie ihr braunes Haar aus dem Gesicht strich, es hochnahm, dass es sie beim Arbeiten nicht störte. Er wollte sehen, wie sie ihre Hände in den kühlen Ton tauchte, ihn knetete und formte. Er mochte es, wie ihr Gesicht dabei konzentriert und klar wurde und der Ton an ihren Armen, an T-Shirt und Jeans Spuren hinterließ, auch manchmal in ihrem Gesicht, wenn sie sich selbstvergessen mit den Tonhänden die Haarsträhnen wegstrich, die ihr immer wieder in die Stirn fielen.
    Am nächsten Tag kam er erneut.
    »Hallo«, sagte die Kellnerin, eine gutaussehende Frau um die fünfzig, erfreut, »gefällt es Ihnen bei uns? Sie waren gestern auch schon da!«
    »Ja«, sagte er und lächelte. »Ich besuche eine Bekannte.« Er schaute über die Straße und sie folgte seinem Blick. »Ach«, sagte sie, »Gertrud.«
    »Ja«, sagte er, »Gertrud.«
    Sie zog die Augenbrauen hoch und machte »Aha!« und ließ ihn in Ruhe.
    Als er seinen Kaffee ausgetrunken und gezahlt hatte, ging er über die Straße und auf sie zu. Gertrud blickte auf, als sein Schatten auf sie fiel, erstarrte ein bisschen. »Was wollen Sie denn«, fragte sie unwirsch, »das hat keinen Sinn!«
    »Reden Sie mit mir«, sagte er, »erzählen Sie mir doch, was geschehen ist.«
    Sie saß einen Augenblick ganz still, schloss die Augen: »Sie können nichts dafür«, sagte sie, »aber Ihr Vater war ein Arschloch. Wenn Sie gekommen sind, um das zu erfahren, dann bitte, dann wissen Sie es jetzt.«
    »Wieso?«, fragte er.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht mehr sagen«, sagte sie, »ich will nicht. Es ist so lange her. Sie wühlen alles wieder auf.«
    Sie wurde weich, er spürte es. Und bohrte weiter. »Weil er Hanna geliebt hat? Und nicht Sie? Ich weiß das aus den Briefen. Ich habe Hanna die Briefe

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