Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)
ist. Also ist es wichtig. Wer weiß, vielleicht hast du geerbt.«
Er lachte kurz auf. »Ich? Geerbt? Das hättest du gerne, was?«
Sie warf das Messer auf den Tisch und funkelte ihn an. »Weißt du was, ich hab’s nicht nötig, mich von dir abkanzeln zu lassen. Und ich bin vom Fach, falls du das vergessen hast, ich weiß also, dass Notariatsbriefe keine Strafzettel enthalten.«
»O.k., o.k.«, erwiderte er besänftigend, »ist ja schon gut.«
»Geh und hol ihn«, sagte sie streng, »du hast noch fünfzehn Minuten, bis sie zumachen.«
»Also gut!« Er seufzte. »Damit du endlich Ruhe gibst! Leihst du mir dein Auto?«
Sie fragte nicht nach, holte ihren Schlüssel aus der Tasche, warf ihn ihm zu.
Als er mit dem Brief in der Hand zurückkam, hatte sie den Tisch gedeckt. Es roch nach frischer Pasta, Salat, Gewürzen und er spürte, wie sich ihm der Magen zusammenzog vor Hunger. »Mach ihn auf«, sagte Kristin.
Er machte ihn auf und dann hatten sie es schwarz auf weiß. Dass es einen Großvater gegeben hatte in dieser Stadt an der Donau, zwei Autostunden südlicher. Dass der nun gestorben war. Dass es ein Testament gab. Dass es eröffnet werden sollte. Dass dabei seine, Tonios, Anwesenheit erforderlich sei.
Sie starrten einander an, Tonio und Kristin. »Du erbst«, sagte sie, »ich hab’s doch gewusst!« Sie schüttelte staunend den Kopf und lachte. »Wann?«, fragte sie, »wann ist die Testamentseröffnung?«
Er schaute nach und erschrak. »In drei Tagen«, sagte er, »schon in drei Tagen!«
Wieder schüttelte sie den Kopf. »Weil du ihn so lange nicht abgeholt hast«, sagte sie, »Wahnsinn! Wahnsinn!!!«
Irgendwann beruhigten sie sich ein wenig, redeten sich ein, dass er ein paar Bücher erben werde oder ein paar alte Schallplatten und dass es das gewesen sei. Sie aßen endlich die kalt gewordene Pasta, tranken Wein, sie fragte nach dem Großvater, aber Tonio wusste nichts. Nie hatte es diesen Großvater für ihn gegeben, wie auch, wenn es keinen Vater gab.
Später schlief er mit Kristin oder besser, er versuchte es, aber es ging nicht, irgendwie ging es nicht, zu viel Wein, zu viele Gedanken.
»Scheiße«, sagte er und rollte von ihr herunter. Was war das doch alles für ein Quatsch.
»He«, sagte Kristin und strich ihm über den Rücken. »Kann doch mal passieren.«
Er schüttelte sie unwirsch ab, stand auf, öffnete die Tür zur Terrasse. Es regnete immer noch.
»Was ist denn?«, fragte Kristin ungeduldig und er wusste plötzlich, sie würde ihn verlassen, wenn nicht heute, dann morgen oder übermorgen, auf alle Fälle bald.
»Nichts«, sagte er. »Ist egal. Lass mich zufrieden. Frag mich nicht ständig Sachen, die dich nichts angehen.«
»Was?«, fragte sie und war nun wirklich empört. »Wie kaputt bist du eigentlich? Und wie besoffen?«
Sie sprang hoch, zog sich das Shirt über, schlüpfte in die Jeans, lief aus dem Zimmer.
Morgen also, dachte er und wettete mit sich selbst um eine Flasche mörderischen Absinths und stellte sich den herben, anhaltenden Geschmack vor, den das Gebräu auf seiner Zunge hinterlassen würde, und dachte, dass Kristins Spuren in seinem Leben weit weniger tief sein würden.
Er drehte sich auf die Seite und wartete auf die Stille in seinem Kopf, aber sie kam nicht. Keine Stille.
Draußen rumorte Kristin. Was macht sie bloß, dachte er ungeduldig und sehnte sich nach einem Schluck, der ihm in die Glieder fahren würde wie ein Schuss. Da knallte die Wohnungstür wie ein Schuss, ach, dachte er, heute schon, hab ich meine Wette also verloren. Schade um den Absinth.
Am Morgen fand er in der Küche ihre Schlüssel und eine Nachricht, in der sie ihn bat, ihre restlichen Sachen einzupacken und vor die Tür zu stellen.
Sonst nichts.
Er ging ins Schlafzimmer, öffnete den Schrank, strich über ihre paar Kleidungsstücke, die da hingen und lagen, schnupperte daran, nahm eine große Papiertüte, warf alles hinein, was ihr gehörte und brachte sie vor die Wohnungstür. Dort würde sie stehen, bis Kristin sie abholte. Dann spätestens würde alles endgültig sein.
Kurzes Gastspiel, dachte er, gerade sechs Monate, die Abstände werden kleiner, und er spürte, was ihn verwunderte, einen leichten Hauch von Bedauern. Wieder allein, dachte er, wenn ich nach Hause komme, keiner da, der Morgengeruch nicht ausgemieft, kein frisches Brot.
Er zuckte die Schultern, nahm die Weinflasche, die noch vom Abendessen auf dem Tisch stand, und goss sich anstatt eines Kaffees den letzten
Weitere Kostenlose Bücher