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Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Titel: Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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schneidender Schmerz, Tränen, loslassen, sterben.
    Rasch schüttelte sie den Kopf. Nicht, dachte sie, nein, nicht solche Bilder, wir haben doch Sommer, immer noch Sommer.
    Aber die Bilder blieben in ihrem Kopf, schlichen sich in ihr Herz. Sie dachte an Christian, an ihre Arbeit, an die Kinder, blieb lange auf der Terrasse, wehrte sich gegen die Bilder, wehrte sich, aber die Uhr lief, alles hatte begonnen, alles würde enden, alles Sich-Wehren sinnlos gewesen sein.
    Ein paar Stunden noch. Sie schaute in ihren Garten. Sie liebte Chrysanthemen und Astern und im Frühjahr die Tulpen und den Flieder, Rosen weniger, Rosen verstellten die Wirklichkeit, fand sie, Rosen gaben vor und gaben an und wenn die Blätter fielen, fielen sie ohne Verzug, schneidig und klar. Sie schaute in ihren Garten und endlich, endlich fügte sie sich in die Kühle der Veränderung, nahm sie an wie einen leisen, steten Schlag in der Brust, schaute in eine durchsichtige Sonne, dachte an Regen, an Nieselregen in einem Park, lauschte der Musik, die durch die offene Wohnzimmertür drang, Norah Jones, Sinéad O’Connor, Tracy Chapman, sah das Auto in die Einfahrt biegen.
    Später würde sie das Messer abwaschen und neben die Spüle legen, noch später würde es mit leisem Klirren neben ihr zu Boden gefallen sein. Ausgesperrt war sie dann schon aus der Welt der Lebenden, derer, die ihr Glück zu halten imstande waren, die es hielten mit beiden Händen und dem festen Willen, es nicht loszulassen.
    10 Franza stand im Garten ihres Hauses, und wenn endlich alles so klappte wie geplant, würde es bald nicht mehr ihres sein.
    Sie blickte sich um. Alles verwildert nach einem Dreivierteljahr ohne Pflege, ohne Sorge. Als wüsste der Garten, dass da keiner mehr war, dass keiner mehr etwas von ihm wollte.
    Ein bisschen fremd war alles geworden, Franza spürte es, als sie über den Rasen ging, der viel zu lang gewachsen war, als sie den Rosenbüschen über die Blätter strich.
    Sie dachte daran, wie Max und sie schließlich den endgültigen Entschluss gefasst hatten zu verkaufen. In jenen Tagen des letzten Winters, als immer klarer geworden war, dass Ben nicht zurückkehren, dass er in Berlin bleiben würde.
    Nach Maries Tod hatten sie ihn heimgeholt, sie und Max, waren in die Hauptstadt gefahren und hatten ihren Sohn heimgeholt in das Haus seiner Kindheit, und was sie so sehr gehofft, aber nicht wirklich erwartet hatten, geschah. Das Haus gewährte ihnen Schutz und ließ das Trauern zu. Sie konnten einander Stütze sein und fanden Geborgenheit. Während Ben um Marie trauerte, das Mädchen, das seine erste große Liebe gewesen und das ermordet worden war, trauerten Max und Franza noch einmal um sich selbst und ihre Liebe, die es nicht geschafft hatte; trauerten um das Haus, das sie verlieren würden, um die Welt, die nicht so war wie in ihren jugendlichen Träumen erhofft und darum, dass Ben dies schon so früh hatte erfahren müssen.
    Irgendwann packte Ben seine Sachen und ging zurück nach Berlin, in die Stadt, die er gemeinsam mit Marie zu erobern gehofft hatte.
    »Bist du sicher?«, hatte Franza ihn am Tag seiner Abreise gefragt, als sie kurz vor der Einfahrt des Zuges auf dem Bahnsteig standen, aber sie hatte seine Antwort schon gewusst, ehe er den Mund öffnete. Die Antwort war eindeutig gewesen, ohne Zweifel.
    Als der Zug längst weg war, standen sie immer noch auf dem Bahnsteig. »Alles haben wir nicht falsch gemacht«, sagte Max irgendwann und legte vorsichtig seinen Arm um Franza und kurz gab sie dem Impuls nach, sich an ihn zu lehnen. »Nein«, sagte sie, »alles nicht. Kaffee?«
    Sie hob den Kopf und schaute ihren Mann an, der das schon lange nicht mehr war, und er nickte lächelnd und sagte: »Kaffee. Genau. Ja. Kaffee. Und Torte.«
    »Nein«, sagte sie bestimmt. »Keine Torte. Schau mich an.«
    Er seufzte und warf einen heimlichen Blick auf ihre Hüften und ertappte sich dabei, dass er sich ein bisschen nach ihnen sehnte, nach ihren Hüften, weil sie immer so wunderbar weich gewesen waren, ihm eine Geborgenheit gegeben hatten, die er, er musste das zugeben, hin und wieder vermisste.
    Sie fuhren heim, und er setzte Kaffee auf, während sie frische Kekse auspackte, ein neues Rezept, das allerdings nicht ganz zu ihrer Zufriedenheit geraten war.
    Dann saßen sie auf der Couch, schauten in die Dämmerung, die sich langsam in den Garten senkte, und redeten über Ben als Baby, als Kleinkind, als Jugendlichen und darüber, dass er zu trauern hatte lernen

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