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Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Titel: Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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Schluck in die Kehle. Es schmeckte grauenhaft und er verzog das Gesicht, aber letztlich passte es zu der Leere, die er empfand, und dazu, dass Kristin gegangen war.
    Na ja, dachte er, zur Not also wieder die Degenhard, die würde ihn immer an ihr Herz drücken, ihre Liebe war groß und hoffnungslos, und das Leben war nun mal nicht so, dass es an allen Ecken und Enden tolle Frauen bereithielt.
    Der Himmel war blank geputzt nach den anhaltenden Gewittern der Nacht, Tonio schloss geblendet die Augen, als er auf die Straße trat. Er schaute sich nach seinem Auto um und erinnerte sich im gleichen Augenblick.
    Erneut schloss er die Augen, ballte die Fäuste, fluchte. Das also auch noch. Er würde zu spät kommen. Nicht zum ersten Mal. Die Oberschwester würde ihn wieder zusammenstauchen und Rasmus … Und das Auto würde abgeschleppt sein, irgendwohin, an irgendeinen elenden Rand dieser elenden Stadt, Scherereien, nichts als Scherereien.
    Er begann zu laufen, zu schwitzen, spürte, wie die in der Luft hängende Feuchtigkeit sich wie ein klebriger Film auf seine Haut legte. Irgendwann blieb er stehen. Ganz plötzlich.
    Dort vorne das Krankenhaus, der gläserne Eingang, links die Lifte, siebter Stock, Onkologie, Rasmus mit dem ewigen Grinsen dem Tod trotzend, der aber trotzdem immer kam, Frau Beurer, die ihn, Tonio, vielleicht vermissen würde, aber sie würde ohnehin nicht mehr lange leben, das kleine Mädchen, das gestern eingeliefert worden war, ihre blauen Augen, ihre spindeldürren Ärmchen.
    Ein letzter Blick hin zum Eingang, die Drehtür schwang und spuckte ein Häuflein Menschen aus, die sich rasch in alle Richtungen verteilten.
    Also gut, dachte er und versuchte weiterzugehen, aber es funktionierte nicht, es war, als klebe er fest. Ich klebe fest, dachte er und war überrascht, dass ihn das nicht überraschte, es geht hier nicht weiter, dachte er, nicht in diese Richtung.
    Kurz stand er noch da, dann machte er kehrt, ging zurück in die andere Richtung, in die, aus der er gekommen war, zurück zur Wohnung, sperrte die Tür auf, warf erneut Kleidungsstücke in eine Tasche, diesmal aber seine eigenen, dazu Zahnbürste, einen Kamm, Handtücher, ganz obendrauf den Brief. Schließlich ging er. Hinaus auf die Straße. Zum Bahnhof. In ein anderes Leben.
    Sollten sie sein Auto ruhig abgeschleppt haben. Sollten sie ihn im Krankenhaus verfluchen, weil sie seine Arbeit nun mit erledigen mussten. Sollte Kristin reuevoll vor der Wohnungstür schluchzen. Das alles bedeutete nun nichts mehr. Denn er ging. In ein anderes Leben. Ein südlicheres. Ganz egal, ob Schallplatten oder Bücher oder ein Kugelschreiber oder was auch immer. Ein anderes Leben auf alle Fälle. Ab jetzt. Es gab immer irgendwann diesen Augenblick. Und dass man dann Mut hatte.
    Als der Zug losfuhr, stand er am Fenster, das man nicht öffnen konnte, und starrte den Bäumen hinterher, die vorbeihuschten wie Flattertücher.
    In einem billigen Hotel am Bahnhof quartierte er sich ein, erkundete zwei Tage lang die Stadt, spazierte stundenlang an der Donau entlang.
    Am dritten Tag ging er zu der Adresse, die im Brief angegeben war, betrat das Büro, keiner sonst da außer ihm und dem Notar und der Sekretärin. Er staunte. Alles war für ihn bestimmt, kein anderer Nachkomme, er war der einzige. Er staunte. Und nahm in Empfang: einen Schlüssel zu einer Wohnung und ein Sparbuch mit Geld, nicht besonders viel, aber doch genug, dass man einige Zeit davon leben konnte, wenn man sparsam war.
    »Alles Gute«, sagte der Notar und schüttelte ihm die Hand, »machen Sie was draus!«
    »Ja«, sagte Tonio, »das werde ich!«, und ging und hatte schon dieses merkwürdige Gefühl im Magen, das ihn die nächsten Tage begleiten würde. Es war wie ein angedeutetes Lächeln, eine Stille, die Ruhe vor dem Sturm.
    Er fragte sich durch zu dieser Wohnung, betrat das Haus, ein altes Haus in einer alten Wohngegend, gefüllt vom Mief der Bewohner, die den Kranken ähnelten, den Siechen, die er gerade noch tagtäglich zu pflegen gehabt hatte. Er sperrte die Tür zu der Wohnung auf, immer noch überrascht über das, was ihm da geschah, er schloss sie hinter sich, lehnte sich an sie und blickte sich um in einem winzigen, finsteren Korridor, der nach Schweiß und Katzenpisse roch. Als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, tastete er sich vorsichtig voran in die anderen Räume, Küche, Bad, Wohnzimmer, Schlafzimmer. Alles vollgestellt, Möbel über Möbel, Schränke, Schubladen,

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