Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)
lächelte ein bisschen und freute sich über das irritierte Gesicht der jungen Frau, die, war Franza sich sicher, sie nun auch noch für gänzlich blöd halten würde, weil sie so sauertöpfisch war und ihr nicht in den Hintern kroch, was sie aber wahrscheinlich wirklich tun sollte, damit endlich einmal jemand dieses Haus kaufte.
Aber vielleicht, dachte sie und seufzte innerlich ein bisschen, will das Haus nicht verkauft werden. Vielleicht will das Haus einfach bei uns bleiben.
Ihr Handy läutete. Das Display zeigte Herz’ Büronummer. Oje, dachte sie, kein gutes Zeichen. Kaum nimmt man sich mal einen Nachmittag frei, bringen sich die Leute um.
»Es tut mir leid«, sagte sie, »ich fürchte, ich muss weg. Vielleicht rufen Sie meinen Mann an. Vielleicht nimmt er sich Zeit, mit Ihnen das Haus anzuschauen.«
Sie hob ab. Sie hatten eine Tote gefunden. 12. September.
11 Herz’ erster Gedanke war Hanna Umlauf gewesen. Also doch, hatte er gedacht, hat ihr Mann mit seinen Ängsten doch recht behalten? Hätten wir ihn ernster nehmen müssen? Hätten wir etwas tun können? Etwas verhindern?
»Was grübelst du?«, fragte Franza, als sie zu ihm ins Auto stieg.
»Nichts«, sagte Felix, lächelte und strich über ihren Arm, er würde es später erzählen, jetzt war sowieso nichts mehr zu ändern. »Entschuldige, dass ich dich angerufen habe, aber ich dachte, du würdest von Anfang an dabei sein wollen. Haus verkauft?«
»Wir sind mit der Besichtigung nicht fertig geworden«, sagte sie, »aber sie hätte es ohnehin nicht genommen.«
Er lachte. »Ja, das hättest du wie immer zu verhindern gewusst.«
Sie schaute ihn von der Seite an, zog die Augenbrauen hoch. »So schlimm?«, fragte sie.
»Ja«, sagte er und grinste ein bisschen, »so schlimm.«
Sie waren da. Ein Haus, das Franza an ihr eigenes erinnerte. Grün, die Auffahrt entlang Bäume, abgelegen.
Als sie die Haustür öffneten, schnupperte Franza. »Wonach riecht es hier?«
»Zwetschgen«, sagte Arthur, der im Flur stand und sie schon erwartete. »Hier sind in den letzten Tagen eine ganze Menge Zwetschgen eingekocht worden.«
»Ach«, sagte sie und nickte. »Wo müssen wir hin?«
Rasch wies Arthur ihnen den Weg. »Hier lang, Chefin!«
Sie traten ein und sobald sie im Raum waren, begann die Stille zu fließen, die allen Totenplätzen inne wohnte.
Franza schaute sich um. Ein heller Raum, groß, weiße Küchenmöbel, auf der Anrichte standen Unmengen von Gläsern, mit dunkelrot glänzender Masse gefüllt.
In der Mitte des Raumes befand sich ein Tisch, acht Stühle standen locker um ihn herum, am hinteren Ende lagen Zeitungen, Schreibzeug, Kleinkram. Außerdem schmutziges Geschirr, Wassergläser, Weingläser, zwei Kaffeetassen, ein Holzbrettchen, auf dem sich noch Reste von Käse und Wurst befanden, ein angebissenes Brot.
Auf dem Boden zwischen Anrichte und Tisch waren Glasscherben verstreut, Splitter, viele, gerade noch gefüllte Marmeladengläser, nun vehement zu Bruch gegangen, zerbrochenes Glas vermengt mit der frischen Marmelade, ein bisschen einbetoniert unter dem erstarrten Gelee, dunkelrote Spritzer an den weißen Flächen der Küche.
Endlich erfasste Franzas Blick die Frau. Langsam. Behutsam. Sie lag am Boden in ihrem Blut. Braune Haare, mittellang, Anfang, Mitte vierzig, der Mund leicht geöffnet, als ob sie noch etwas hätte sagen wollen, aber letztendlich war der Tod schneller gewesen. Leichte Sommerkleidung, Shorts, T-Shirt, gebräunte Haut. Inmitten des Blutes, den Arm der Frau berührend, lag eine Zwiebel, als hätte sie sie nicht allein lassen wollen, als hätte sie ihr beistehen wollen bis zum Ende, wenn sonst keiner geblieben war.
»Also doch nicht«, sagte Felix leise und atmete erleichtert aus und fragte sich im gleichen Moment, warum er erleichtert war, kannte er doch weder diese hier noch Hanna Umlauf.
»Was?«, fragte Franza.
»Nichts«, sagte Herz, »später.«
Borger, der Gerichtsmediziner, war schon hier, außer ihm die Spurensicherer, sie nickten einander zu.
Franza beugte sich über die Frau am Boden und spürte die Stille, die von ihr ausging, und als ob alle um sie herum das merkten, senkten sie die Stimmen.
Franza schloss die Augen. Lass mich dich spüren, dachte sie, lass mich in dein Herz, nur für einen Augenblick, zeig mir, was dich so sehr bewegt hat, dass es dich hat sterben lassen.
Ich kann noch nicht, sagte die Frau unhörbar in Franzas Gedanken, gib mir Zeit.
Jede Zeit der Welt, flüsterte Franza ihr in die
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