Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)
er die Feier nicht zwischendurch für einen Zeitraum von etwa eineinhalb Stunden oder so verlassen hat. Ich meine, das ist lang, das müssten Sie doch bemerkt haben.«
Beuerle hob die Schultern. »Wie gesagt.«
»Und Sie, Frau Beuerle, können das auch bestätigen?«, fragte Felix und erlaubte sich einen flüchtigen, abschließenden Blick auf ihre Dinger.
»Wie mein Mann schon sagte«, lächelte sie.
»Ihnen beiden ist klar, dass Sie sich strafbar machen, wenn Sie uns nicht die Wahrheit sagen.«
Beuerle zuckte die Schultern. »Warum sollte ich lügen?«
»Eben«, sagte Felix und erhob sich. »Warum sollten Sie? Warum lügen die Menschen überhaupt?«
Weil es eben immer Gründe dafür gibt, dachte er, immer, und lächelte ein bisschen.
»Tja«, sagte Beuerle, »das ist ja nun schon fast eine philosophische Frage, nicht wahr?«
»Genau«, sagte Felix, »und weil die Beantwortung philosophischer Fragen immer viel zu lange dauert, fangen wir besser gleich gar nicht damit an und ich geh lieber und stör Sie nicht länger.«
»Nein, nein, Sie haben nicht gestört«, beeilte Beuerle sich zu erwidern, reichte Felix die Hand und rang sich noch ein höfliches Lächeln ab.
»Ich bringe Sie zur Tür«, sagte Rieke Beuerle und ging Felix voraus auf den Flur zur Haustür. Sie öffnete sie, ließ ihn hinaus, doch bevor er sich entfernte, beugte sie sich ihm zu und ein etwas fades Parfüm waberte in Herz’ Nase.
»In einer Stunde«, flüsterte sie, »in einer Stunde am Stadtpark beim Eingang zum Eispavillon.«
Überrascht nickte er. Geplatzt also, dachte er, das Alibi. Er dachte an Moritz und Lilli. Es tat ihm leid.
37 Offensichtlich hatte der gute Herr Rabinsky seine Freunde gut instruiert und vor allem gut im Griff, denn bei den nächsten drei Besuchen erging es Felix ähnlich. Die Paare schworen alle Bein auf Stein, dass Rabinsky die Geburtstagsgesellschaft den ganzen Abend nicht verlassen hatte. Franza, als sie später noch kurz im Büro zusammentrafen, wusste nichts anderes zu berichten.
Aber da war ja noch der Eispavillon, an dessen Eingang Frau Beuerle auf und ab ging, wie Felix schon von weitem bemerkte.
»Frau Beuerle«, sagte Felix, als er herangekommen war, und lächelte. »Sie wollten mir noch etwas mitteilen?«
Sie sah gut aus, fand er, ein bisschen tussenhaft vielleicht und in ihrem Täschchen führte sie einen Tussenhund mit sich, wie Marlene, Felix’ Älteste, es genannt hätte, eine kleine kläffende Ratte.
»Ja«, sagte sie und lächelte auch. »Laden Sie mich auf einen Kaffee ein? Kann die Polizei sich das leisten?«
»Kann die Polizei«, erwiderte Felix. »Wenn ich bitten darf!«
Sie ließ das Alibi platzen, dass es eine Freude war. Oder auch nicht. Er musste wieder an die Kinder denken, nein, es war keine Freude.
Sie erzählte, Rabinsky sei beim Essen von einem ungeschickten Kellner angerempelt worden, wobei er sich sein Glas Rotwein über Hemd und Hose geschüttet habe, den genauen Ablauf wisse sie aber nicht, sie sei kurz auf der Toilette gewesen. Auf alle Fälle sei ihm diese patschnasse Angelegenheit irgendwann zu unangenehm geworden und er habe gesagt, er wolle rasch ins Büro fahren, dort könne er duschen, dort habe er immer ein Reservehemd und eine Hose hängen, das käme ihm jetzt gerade recht. Eine Stunde etwa sei er weg gewesen, vielleicht eine Spur länger, und erst im »jealousy« sei er wieder dazugestoßen. Allerdings habe er sich merkwürdig verhalten, habe sich volllaufen lassen, dass er am Ende kaum noch stehen konnte. Obwohl, wenn man es recht betrachte, ihr Mann habe das genauso gemacht und die anderen im Grunde auch und wahrscheinlich hätten sie alle ihre Frauen nur deshalb mitgenommen, damit sie für die Heimfahrt billige Chauffeure hätten. Christian sei bei ihnen mitgefahren, bei seinem Büro habe sie ihn rausgelassen, hier, hatte er gemeint, wolle er übernachten, es sei zu kompliziert, jetzt nach Hause zu fahren.
Hier machte sie eine Pause, trank einen Schluck Kaffee, schaute Felix nachdenklich an.
Sie habe das alles zu Hause vor ihrem Mann nicht sagen wollen, fuhr sie fort, Christian habe angerufen und gebeten, ihm dieses Alibi zu geben. Sie müssten ihm alle glauben, er hätte mit dem Mord an Gertrud nichts zu tun, er sei im Büro gewesen, duschen, umziehen, das hätten sie ja alle mitbekommen, aber jetzt fehlten ihm halt diese Stunden und niemand könne das bezeugen und man wisse doch, wie pingelig die Polizei mit zeugenlosen Alibis sei. Darum sollten sie
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