Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)
doch alle so gut sein und ihm dieses Alibi geben, die Kinder hätten es doch ohnehin schon maßlos schwer, und wenn er, Christian, jetzt auch noch verdächtigt werde, umso mehr.
»Natürlich«, sagte Frau Beuerle, »haben wir ihm alle geglaubt. Christian ist doch keiner, der seine Frau umbringt. Im Gegenteil, der tut keiner Fliege was zuleide. Aber eine Lüge ist halt eine Lüge!«
Und dass es grundsätzlich keine gute Sache sei, die Polizei anzulügen und darum säßen sie nun hier und tränken Kaffee.
Fasziniert beobachtete Felix während ihres Redeschwalls, wie Stück um Stück der Nusstorte elegant zwischen ihren schmalen Lippen verschwand und wie sich in ihrem Ausschnitt diese appetitliche Spalte bildete, wenn sie sich vorbeugte, um ihn anzulächeln.
Mein lieber Schwan, dachte er, was hat der Christian ihr wohl angetan, dass sie nun derart diese Rache an ihm übt? Hat sie ihn mit diesen wundervollen Waffen in ihrer Bluse angebaggert? Und hat er sie trotz dieser Waffen abblitzen lassen, weil sie ihm vielleicht … einfach ein bisschen zu viel geredet hat?
Er musste grinsen, lehnte sich im Sessel zurück und streckte die Beine aus. Nun hat der Tag doch einiges gebracht, dachte er zufrieden. Nicht zuletzt eine gute Aussicht.
38 »Max«, sagte Franza ins Telefon, »Max, bist du da?«
»Ja«, sagte er und war ein bisschen verwundert. »Das hörst du doch, dass ich da bin. Was ist denn los?«
»Ich meine«, sagte sie, »bist du daheim?«
»Ja«, sagte er, »bin daheim. Willst du kommen?«
»Ja«, sagte sie, »würde ich gern. Hast du was zu essen?«
Er lachte. »Ah, daher weht der Wind! Madame hat Hunger und vergessen einzukaufen. Gähnt dich dein leerer Kühlschrank an?«
»Ja«, sagte sie und war ein bisschen zerknirscht. »Wir haben einen neuen Fall und ich bin gestern erst spät heimgekommen und alle Geschäfte waren schon zu. Und jetzt knurrt mein Magen.«
»Sollen wir was essen gehen?«
»Nein«, sagte sie, »ich habe Lust auf Wohnungsruhe. Geht das?«
Er nickte, aber das konnte sie durchs Handy nicht sehen. »Sicher geht das«, sagte er. »Komm her.«
Sie legte auf, lehnte den Kopf an die Stütze und startete den Wagen. Eine Viertelstunde lang hatte sie nun vor ihrem Wohnhaus im Auto gesessen, müde von der Länge des Tages, ratlos, was mit dem Abend anzufangen war, enttäuscht, dass Christian Rabinskys Alibi geplatzt war.
Arthur und Felix waren heim zu ihren Frauen, wurden mit Essen erwartet und wahrscheinlich auch ein bisschen betütert. Aber bei ihr wartete heute niemand, der sie betütern konnte, bei ihr warteten ein leerer Kühlschrank, eine leere Couch und ein voller Fernseher, aber dem konnte sie heute beim besten Willen nichts abgewinnen.
Port hatte Vorstellung und im Anschluss wollte er mit den Kollegen ein bisschen feiern, weil er diese Einladung nach Wien hatte. Franza seufzte. Ja, diese Wien-Geschichte, diese blöde Wien-Geschichte.
Abschied … ein kleiner nur würde es sein, aber immerhin … Franza dachte an ihre anderen Abschiede, das Wandern zwischen den Ländern mit den österreichischen Eltern, weil ihr Vater als technischer Ingenieur mal hier, mal da gebraucht wurde. Die längste Zeit ihrer Kindheit hatte sie gute dreißig Kilometer von hier in einem Haus mit dem Rauschen des Baches im Hintergrund verbracht. In der Nachbarschaft hatte Sonja mit ihren Eltern gelebt, auch sie waren Österreicher, auch sie »Berufsnomaden«.
Franza war zwölf, als die Familie nach Österreich zurückkehrte. Der Vater war an die Spitze seines Unternehmens aufgestiegen, so lebten sie die folgenden Jahre in der Nähe jener Hauptstadt, aus der sie stammten, in der Nähe der Donau. Wie auch jetzt. Das war geblieben. Die Donau. Als Beständigkeit. Als Fixum. Als Maß.
Irgendwann Studium und Franza spürte die Sehnsucht nach der Welt in den Adern, also ein Jahr London, danach Frankfurt, wo sie hängenblieb. Max und Borger traf, schließlich Felix. Schöne Zeiten. Schönes Leben. Kleine Lieben, schließlich die große – Max.
Später der endgültige Abschied von Österreich, weil klar war, dass sie bei Max bleiben würde, dass sie heiraten und sich hier in dieser Stadt im südlichen Deutschland ansiedeln würden.
Wieder später starb Franzas Vater plötzlich und unerwartet an einem Herzinfarkt und die Mutter begann zu vereinsamen und verbrachte viel Zeit bei der Tochter und wie der Zufall es wollte, entdeckte sie eines Tages, dass das alte Haus am Bach zum Verkauf stand – und sie kaufte
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