Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)
klopfte, dann jedoch seufzend nachgab, aufstand und noch ein Brot richtete, manchmal auch zwei.
Im Anschluss würde es Kaffee und Franzas Kekse geben, die knirschten manchmal ein wenig zwischen den Zähnen, manchmal waren sie saftig und weich, immer waren sie frisch, immer waren die Verzierungen perfekt und immer fragte man sich für den Bruchteil einer Sekunde, ob man sie überhaupt verspeisen durfte, weil sie so schön waren. Aber Franza sorgte regelmäßig für Nachschub, also durfte man das ohne schlechtes Gewissen.
Es war keine Liebe mehr, es war Freundschaft, eine, die sich im Laufe der Jahre aus dieser Art des Zusammenlebens ergeben hatte, zu der sie gefunden hatten, als das Begehren aufeinander nachgelassen hatte und schließlich erloschen war.
Diese Freundschaft bestand aus solchen Fernsehabenden, aus dem Wein, den sie hin und wieder aus einem Glas tranken, beide müde, beide geschafft von der Länge, der Fülle des Tages. Sie lagen auf der Couch, der Film lief, manchmal nickte einer von ihnen ein und schreckte hoch, weil der andere ein Geräusch machte. Dann grinsten sie, lachten, sagten: »Ach du!« und schliefen bald wieder weiter.
Ihre Freundschaft bestand aus diesen Sätzen, die sie zueinander sagten, die sie halbherzig vor sich hin sprachen, diese Sätze, die zwar der ganzen Welt gehörten, aber eben auch noch ihnen, diese Sätze wie: »Lass doch!« oder »Mach endlich!« oder »Ruh dich aus!« oder »Erhol dich!« oder »Du gehst mir so auf die Nerven!«
Sie bestand auch aus Augenblicken des Hasses, wenn Franza vor dem Spiegel stand und seufzend ihre Hüften betrachtete und er vorbeiging und lakonisch meinte: »Tja, meine Liebe« und sie ihn dafür schlagen wollte.
Und sie bestand aus Augenblicken der Erinnerung, wenn sie ihn heimlich betrachtete und immer noch sicher war, dass alles irgendwann einmal gestimmt hatte.
Es war eine Freundschaft, die entstand, wenn man zwangsweise zusammenlebte aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr als Paar, nur noch »familienmäßig«, was zwar viel war, aber eben nur noch eine WG wie damals in der Studentenzeit. Die Schwächen des anderen baten um Toleranz, die hässlichen Augenblicke, wenn man noch nicht geduscht war, wenn die Haare am Morgen abstanden, wenn die Wimperntusche durch zu viel Weinen oder zu viel Lachen zerronnen war, wenn einen Müdigkeit zerfurchte, Traurigkeit zerfraß und man vor dem harschen Widerstand der Welt kapitulieren wollte.
Jeder wusste, er konnte den anderen rufen, wenn er Hilfe brauchte, er würde erreichbar sein, vielleicht nicht immer und nicht zu jeder Zeit, aber doch meist.
Max hatte Franza gefehlt, als sie aus dem Haus ausgezogen war, in kleinen, leeren Momenten hatte er ihr gefehlt, da hatte sie sich manchmal umdrehen und »Max!« rufen wollen, aber Max war nicht mehr da, und Franza fragte sich, während sie ins Leere starrte, ob sie eigentlich verrückt war, in ihrem endlich ehelosen Leben den Ehemann zu vermissen. Schließlich hatte sie ihn hunderttausend Mal auf den Mond gewünscht, und nicht nur auf den Mond, manchmal auch auf Pluto in seiner entferntesten Umlaufbahn, und sie ahnte, dass es Max ähnlich erging.
Aber Franza hatte gespürt, dass es Zeit geworden war, einen weiteren Schritt zu setzen, sich wieder ein Stück zu entfernen, voneinander und von den Dingen, die sie verbunden hatten, um endgültig in die Freiheit zu gelangen. Denn immer noch schien diese ein paar Schritte entfernt zu sein, mitleidig lächelnd, als wolle sie sagen: »Nimm mich doch! Nimm mich! Komm! Du hast mich immer noch nicht!«
Franza schüttelte den Kopf über dieses merkwürdige Bild, das ihr in den Sinn gekommen war, drängte es weg und stieg aus dem Lift. Zwar fragte sie sich, ob es richtig war, was sie jetzt gerade tat, fragte es sich in Hinblick auf Max’ eifersüchtiges Verhalten in der Theaterkneipe vor gerade mal drei Wochen, aber der Hunger überwog.
Die Wohnungstür stand schon offen. »Hallo«, rief Franza, »ich bin’s«, und schloss sie hinter sich.
»Komm rein«, rief er, »bin in der Küche!«
»Ja«, sagte sie, »ich komme.«
Er hatte herausgeholt, was der Kühlschrank hergab, Käse, Wurst, Tomaten, Gurke, Eier. Brot lag schon aufgeschnitten im Körbchen. Kein Speck heute. Er stand am Tisch und legte Brettchen und Besteck auf. Sie betrachtete ihn. Groß war er und immer noch dünn, keiner, der Fett ansetzte, sein Haar hingegen war schütter geworden und grau und seine Schultern hingen ein wenig nach vorne. Dagegen
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