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Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Titel: Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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Gedanken, ihrem Fühlen, ihrem Wissen, sie hatte wohl gespürt, dass sie das tun musste, damit sie beide überleben konnten, und dann … dann war sie da. Und hat ihrer Mutter das Leben gerettet, davon bin ich heute noch überzeugt, Hanna wäre sonst irgendwo geblieben, gestorben, verschwunden, wenn nicht … dieses Kind sie heimgeschickt hätte.«
    Sie verstummte, verfiel ins Flüstern. »Ein wundervolles Kind. Ein wunderbares Mädchen, unsere Lilli. Von Anfang an.«
    Sie schaute ihren Mann an, lange, sie nahm seine Hand. »Er hat mir geholfen«, sagte sie, »wir haben das Kind versorgt, wir haben Hanna versorgt, du hast mir geholfen.«
    Sie lächelten unter Tränen, hielten sich an den Händen.
    »Als wir es endlich geschafft hatten«, fuhr sie fort, »ist Hanna wieder in ihren tiefen Schlaf gefallen. Es ging ihr soweit gut, sie schlief und schlief, als hätte sie das seit Wochen nicht getan, einen Tag, eine Nacht, noch einen Tag, ich weiß es nicht mehr. Und wir standen da mit ihrer Tochter und wussten nicht, was tun.«
    Sie griff zum Glas, schloss die Augen, konnte nicht mehr. Ihr Mann sah es, übernahm.
    »Gertrud war gekommen, hatte alles Nötige mitgebracht, Babynahrung, Kleidung, Windeln, alles, was man eben braucht. Ich hatte sie angerufen, sie kam sofort. Sie schaute Hanna an, sie schaute das Kind an, sie nahm das Kind. Es war, als hätte sie es … immer gehabt. Es stand ihr so gut, ich kann es nicht anders sagen. Es stand ihr so gut.«
    Er schwieg, lächelte traurig. »Es hat sie glücklich gemacht, dieses Kind zu halten. Ja, sie wirkte plötzlich … ruhig, voller Klarheit, voller Sicherheit. Wie sie nie vorher gewesen war. Und das Kind war auch … ruhig.«
    »Und Hanna?«
    Sie schauten sich an, schwiegen.
    »Hanna verfiel«, sagte Dorothee Brendler schließlich leise, »Hanna fand nicht mehr zurück in ihr Leben.«
    Sie erinnerten sich, wie das gewesen war, als Hanna aus ihrer Erschöpfung erwachte und in eine noch viel tiefere fiel. Die Bilder stiegen hoch.
    Sie war zu lange fort, zu lange unterwegs gewesen, es war zu viel geschehen, sie konnte sich nicht wieder einfügen in das alte Leben. Zu viel, was dazwischen stand, was niemand wusste und mit niemandem zu bereden war.
    »Eine Sache der Gewöhnung«, sagten die Eltern anfangs, wenn sie ihr das Kind hinlegten, wenn sie es mit fremden Augen ansah und fragte: »Was ist das? Was soll ich damit?«, und es wegschob. Das Kind begann zu schreien, Gertrud nahm es und es wurde ruhig.
    Zaghaft strichen die Eltern Hanna übers Haar, schauten sich an, schauten Gertrud an, die das Kind wiegte, begannen zu ahnen …
    Die ersten zwei Tage vergingen. »Wir müssen die Geburt melden«, sagte Dorothee, als sie eines Morgens zu dritt beim Frühstück saßen. Das Kind schlief in seinem Bettchen in Gertruds Zimmer. »Es ist unverzeihlich, dass wir das noch nicht getan haben. Es ist schon zu viel Zeit verstrichen.«
    Plötzlich sagte Gertrud: »Ich will sie haben.«
    Sie starrten die Tochter an. Der Vater fing sich zuerst. »Was? Was meinst du damit?«
    »Ich will sie haben«, wiederholte Gertrud, »ich will Hannas Baby haben. Ich werde ihm die beste Mutter sein, die es nur haben kann, das wisst ihr. Hanna will das Baby doch gar nicht. Schaut sie doch an. Sie wird in der Klapse landen. Sie ist doch gar nicht in der Lage, sich um ihr Kind zu kümmern. Es fängt zu schreien an, wenn es nur in ihre Nähe kommt. Ich will sie. Gebt sie mir. Lasst sie mir. Das seid ihr mir schuldig.«
    Sie schaute ihren Vater an. » Du bist mir das schuldig.«
    Sie hielten den Atem an, spürten plötzlich, wie einsam Gertrud war. Irgendwann sagte Dorothee: »Nein, Gertrud, hör auf! Das ist Unsinn.«
    Aber Gertrud hörte nicht auf. Sie redete und redete, redete sich ihre Kindheit von der Seele, ihre Jugend, immer die Zweite gewesen, immer verloren, immer im Schatten, verbrannt, verbannt.
    »Wie du sie angesehen hast! Wie ich das gehasst habe! Mich hast du nie so angesehen, nie mit dieser Wärme, mit dieser Bewunderung, dieser Begeisterung. Sie war deine Tochter. Nicht ich. In deinem Herzen ist immer sie deine Tochter gewesen.«
    Alles zerbrach in diesem Augenblick, Dorothee spürte es und konnte nichts tun. Der Vater schüttelte den Kopf. »Nein, Gertrud, nein! Ihr seid doch … beide meine Töchter, ich liebe euch beide.«
    Aber Gertrud schüttelte den Kopf, war sich ihrer Sache sicher, hatte ja recht. »Sie mehr«, sagte sie, »sie immer mehr.«
    Er stand auf, wollte zu ihr, wollte

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