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Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition)

Titel: Rabenschwestern: Kriminalroman (Ein Franza-Oberwieser-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
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sie in den Arm nehmen, aber sie streckte abwehrend die Hände aus, eine undurchdringbare Mauer. »Nein«, sagte sie, »ich brauche das jetzt nicht mehr. Viel zu spät. Gib mir Lilli!«
    Sie nannte sie schon Lilli, das Kind hatte schon einen Namen.
    »Gib sie mir«, sagte Gertrud.
    Alles zerbrach. Dorothee spürte es. Nichts konnte man tun.
    62 Ich habe ein Kind geboren. Sein Lächeln hat sich in mein Herz gebrannt, in meine Seele, da habe ich es noch in mir getragen. Die Schläge seines Herzens haben an meine Haut gepocht, seine Füßchen, seine Hände. Aber ich wollte es nicht wissen damals. Wollte es nicht spüren. Konnte nicht.
    Hab ein Kind geboren … weiß es nun wieder … hat gefehlt … ein Leben lang … immer hat etwas gefehlt, aber nie wusste ich, was … war nur ein Spüren, ein Sehnen. Jetzt … weiß ich es.
    63 »Wie ging es weiter?«, fragte Franza.
    Dorothee zuckte die Schultern.
    »Einfacher als man denkt«, sagte sie müde. »Ich habe als Ärztin die Geburtsurkunde unterschrieben. Alle weiteren amtlichen Sachen hat mein Mann geregelt, er kannte doch die entsprechenden Stellen, die entsprechenden Leute. Sie haben ihm gratuliert, dass er Großvater geworden ist. Niemandem ist etwas merkwürdig vorgekommen. Keiner hat nachgefragt. Warum auch?«
    Sie schaute ihren Mann an, versank ein bisschen in seinen Augen, sie zumindest hatten sich nicht wirklich verloren.
    »Nein, niemandem ist etwas aufgefallen«, fuhr Dorothee fort. »Wir hatten keinen besonders großen Freundeskreis, und Gertrud war ja bislang immer noch in München gewesen. Dort hat sie rasch alles aufgelöst, die Wohnung gekündigt und von hier aus eine neue gesucht. Sie hat die erstbeste genommen, ist dort hin mit dem Kind. Mit ihrem Kind. Es war für alle ihr Kind. Ihre Tochter Lilli. Vater unbekannt.«
    Schweigen. Es war ungeheuerlich.
    »Und Hanna?«, fragte Franza schließlich wieder.
    »Hanna ist lange krank gewesen«, sagte Hans Brendler. »Sie hätte für das Kind nicht da sein können. Sie brauchte selber Betreuung. Eine Freundin meiner Frau, eine Psychiaterin, hat uns dabei unterstützt. Das mit dem Kind ist allerdings nie zur Sprache gekommen, das haben wir ihr nie erzählt, und Hanna … hatte es ja … vergessen.«
    »Und wenn Gertrud mit Lilli zu Besuch kam?«
    Kurzes Schweigen. »Gertrud kam nicht zu Besuch. Hanna hat Lilli nie mehr gesehen. Erst als Hanna wieder gesund und endgültig weg war, hat Gertrud allmählich wieder Kontakt zu uns gesucht.«
    Franza nickte. Familie, dachte sie, Hort des Glücks.
    »Wie lange ist Hanna krank gewesen?«
    »Lange. Länger als ein Jahr. Und wird man mit einer solchen Krankheit jemals gesund?«
    Sie brauchen diese Frage, diese Begründung, dachte Franza, sie brauchen sie als Entschuldigung für das, was sie getan haben.
    »Und Christian?«, fragte Herz. »Weiß er davon?«
    Sie schüttelten beide den Kopf. »Nein«, sagte Hans Brendler, »niemand hat es je erfahren. Gertrud hat Christian kennengelernt, da war Lilli zwölf. Sie haben sich auf der Stelle gemocht, Lilli und Christian. Sie hätte keinen besseren Vater haben können, unsere Lilli.«
    »Ja, Christian war ein Glücksfall«, ergänzte Dorothee, »für Gertrud, für Lilli und auch für uns. Als sie geheiratet haben, haben wir ihnen das Haus hier geschenkt. Und wir wurden wieder eine Familie. Und als schließlich auch noch Moritz kam …«
    Sie dachte nach. »Aber im Endeffekt haben wir uns immer etwas vorgemacht. Ein großer Bluff. Eine Seifenblase.«
    Und Lilli hat das gespürt, dachte Franza, den Bluff, die Seifenblase.
    »Haben Sie nie an Hanna gedacht? Was Sie ihr angetan haben?«
    Dorothee hob den Kopf, blickte in das Dach des Zwetschgenbaumes. »Wir haben immer an Hanna gedacht. Immer. Sie ist doch immer vor unseren Augen. Immer, wenn ich Lilli ansehe.«
    »Es ist wie die Wahl zwischen Pest und Cholera gewesen«, sagte Hans Brendler. »Ich wusste, eine würde ich verlieren. Und es musste in diesem Augenblick Hanna sein, es ging nicht anders.«
    Seine Stimme brach.
    »Und für Lilli war es hundertprozentig am besten«, sagte Dorothee, »sie hat eine wunderbare Mutter bekommen. Hanna hätte das … nicht geschafft.«
    Auch das, dachte Franza, müssen sie sich zurechtlegen, müssen sie denken. Vielleicht stimmte es ja. Sie dachte daran, was Lilli ihr erzählt hatte. Vielleicht stimmte es nicht.
    »Wie ging es weiter mit Hanna?«
    Dorothee räusperte sich, begann zu erzählen.
    »Hanna fand sich nicht mehr zurecht. Lag

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