Rabenzauber
oberhalb der Augen des Pferdes erkennen, die eine andere Geschichte erzählten als das muskulöse Hinterteil und die aufmerksame Haltung.
Tier verbeugte sich vor der alten Frau, eine tiefe, schwungvolle Verbeugung wie bei Hofe. »Ihr seid beide zu störrisch, um der Zeit nachzugeben, ebenso wie ihr auch keinem anderen nachgebt. Brewydd, das hier ist Aliven, der Schmied. Aliven, das hier ist unsere Lerche Brewydd.« Tier wandte sich kurz Aliven zu, damit der Schmied - und nur er - sein Gesicht sehen konnte. Seine Lippen formten lautlos das Wort Heilerin , und er zwinkerte.
»Lehr, hol mich vom Rücken dieses armen Geschöpfs herunter, bevor wir beide tot umfallen und keinem mehr helfen können.« Die alte Frau hatte die Vorstellung nicht einmal zur Kenntnis genommen.
Tiers Sohn griff nach oben und hielt sie fest, als sie mit überraschender Anmut ein Bein über den Rücken des scheckigen
Pferdes schwang. Als beide Beine auf einer Seite waren, packte er sie an Taille und Schulter und hob sie vorsichtig aus dem Sattel.
Nun schaute sie Aliven zum ersten Mal wirklich an und lächelte sanft. »Stör dich nicht an diesem wilden Haufen, Junge«, sagte sie und nahm den Arm des Schmieds. »Sie wollten nur den Mahr sehen.«
Aliven brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass sie mit »Junge« ihn meinte. Seit sein Vater vor fünfzehn Jahren gestorben war, hatte ihn niemand mehr »Junge« genannt.
Die Worte der alten Frau schienen aus einem Grund, den Aliven nicht hätte benennen können, das Zeichen für die ganze Reisendengruppe zu sein, vom Pferd zu springen und die Tiere wegzuführen, um sie irgendwo anzubinden.
»Ich werde dich nicht mehr allein ausschicken, Tier«, sagte eine der jüngeren Frauen und reichte Tiers dunkelhaarigem Sohn die Zügel ihres Pferdes. Sie war ziemlich klein, hatte aber eine Aura von Macht an sich, die sie größer wirken ließ, als sie wirklich war. Wenn Reisende ebenso alterten wie normale Leute, war sie jünger als Tier. Nur die kleinen Falten um ihre Augen ließen auf ihr Alter schließen.
Tier lachte und ging mit einem kurzen Schritt auf sie zu, bei dem er kein bisschen hinkte. Er legte die Hände um ihre Taille und schwang sie einmal im Kreis herum.
Als er sie wieder absetzte, fuhr sie ebenso gelassen wie vor Tiers Angriff auf ihre Würde fort: »Ich lasse dich jagen gehen, und du wirst entführt. Ich rette dich, damit du mit deinen neuen kleinen Soldaten spielen kannst, und ohne die Hilfe der Lerche wärest du verkrüppelt. Dann ziehst du los, um angeblich nur um Getreide zu feilschen, aber du findest einen Nebelmahr, der angefangen hat, statt Frösche und Fische Menschen zu fressen.«
»Wenn du mich nicht ausgeschickt hättest, um hier ein
bisschen zu feilschen, hätte ich irgendeinen armen Clansmann zu Tode geschwatzt«, lachte Tier, dann drückte er ihr schnell einen schmatzenden Kuss auf die Stirn.
Hinter Tiers Schulter sah Aliven, dass einige Reisende ihre kühle Gefasstheit genügend aufgaben, um zu lächeln.
» Solsenti -Bastard«, erwiderte die Frau ohne jede Zuneigung und starrte Tier an, als hätte sie ihn gerade auf einem Misthaufen gefunden.
»Ganz bestimmt nicht«, versicherte er ihr empört. »Meine Eltern waren verheiratet! Mein Vater war ein tapferer Mann, genau wie sein Sohn.«
Sie versuchte, es zu verbergen, aber Aliven sah, wie ihre Mundwinkel nach oben zuckten.
»Wo ist Gura?«, fragte Tier und sah sich um.
»Wir haben ihn im Lager gelassen«, sagte sie. »Der Mahr würde kurzen Prozess mit ihm machen, ganz gleich, wie groß und wild Gura sein mag. Er war nicht besonders froh, als wir aufbrachen.«
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Tier trocken. »Seraph, das hier ist Aliven, der Schmied, dessen Tochter von dem Geschöpf getötet wurde. Aliven, dies ist meine Frau Seraph, Rabe des Clans von Isolda der Schweigsamen - aber im Augenblick sind wir mit dem Clan des Bibliothekars unterwegs.«
Zum Unbehagen des Schmieds kam Tiers Frau auf ihn zu und berührte sein Gesicht, was ihn nervös daran denken ließ, dass der Dreck der letzten paar Tage an seiner Haut klebte.
»Wir werden uns um diesen Nebelmahr kümmern«, sagte sie, »damit er Euch und die Euren nicht mehr belästigt.«
In ihrer Stimme lag so viel Sicherheit, dass er ihr tatsächlich glaubte.
»Und wir werden uns um die Verletzten kümmern«, erklärte die alte Frau, die immer noch den Arm des Schmieds festhielt. Sie zog ihn herrisch weiter und zeigte dabei mit dem
Finger auf einen der
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