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Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
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Darüber würde er sich zur Not auch mit Benroln streiten.
    Jes ging auf alle viere nieder und brachte das Gesicht dicht an das des verletzten Mannes. Der Schmied zuckte bei der plötzlichen Bewegung zusammen.
    »Es war ein Nebelmahr«, flüsterte Jes. »Ich kann es riechen.«
    »Was ist ein Nebelmahr?«, fragte Lehr.

    »Eine Art Wasserkobold«, erwiderte Tier. »Gewöhnlich sind sie sehr scheu, und meist kann man nur einen kurzen Blick auf sie werfen, bevor sie wieder verschwinden. Es heißt, sie können recht unangenehm werden, wenn man sie in die Enge treibt. Ich habe noch nie gehört, dass sie vom Schatten besudelt werden, aber die meisten Leute könnten das wahrscheinlich ohnehin nicht feststellen. Eure Mutter wird es sicher sagen können.«
    Es gab in der Nähe von Redern keine Nebelmahre, weil es dort zu kalt wurde. Tier hatte einmal einen gesehen, als er noch Soldat gewesen war, aber er konnte sich nicht erklären, wo Jes einem begegnet sein sollte. »Woher weißt du, wie sie riechen, Jes?«
    Dunkle Augen blickten auf, und Tier sah, dass Jes, sein Jes, an die Stelle des Hüters trat, um die Frage zu beantworten. »Ich w-weiß es nicht«, stotterte er. »Wir haben es nur gerochen und wussten es.« Einen Atemzug später kehrte die scharfe Dunkelheit des Hüters in seine Augen zurück.
    Tier hatte nie zuvor gesehen, dass der Wechsel vom Hüter zu Jes und wieder zurück so schnell stattfand, obwohl es umgekehrt hin und wieder ziemlich rasch geschah. Er fragte sich, wieso es notwendig gewesen war, dass Jes die Frage beantwortete und nicht der Hüter.
    All seine Kinder wussten, dass Tier als Barde eine Lüge so deutlich identifizieren konnte wie einen falschen Ton. Hätte der Hüter sich verpflichtet gefühlt zu lügen, wenn er die Frage beantwortet hätte, und deshalb Jes das Feld überlassen?
    »Schon gut, Jes«, sagte Lehr. »Das ist egal. Jetzt wissen wir wenigstens, womit wir es zu tun haben.«
    Lehr hatte recht; sie würden später noch Zeit haben, über Jes nachzudenken. Wenn man davon ausging, dass der Hüter recht hatte - und bei der Identifizierung des Wesens hatte er sicher nicht gelogen -, stand ihnen genug Ärger bevor.

    Tier sah sich im Haus um und stellte einen Angriffsplan auf. »Jes, ich will, dass du mit Lehr zum Clan zurückkehrst, wo ihr eurer Mutter und Benroln erzählen werdet, was wir hier vorgefunden haben. Sagt ihnen, wir brauchen Brewydd für die Verwundeten und so viele Leute, wie nötig sind, einen besudelten Nebelmahr loszuwerden.«
    »Beide?«, fragte Lehr. »Jes kann hierbleiben, um euch zu beschützen.«
    Tier schüttelte den Kopf. »Beide.« Es würde nichts helfen, wenn er laut ausspräche, dass seine Rolle in dieser Sache - den Schmied zu beruhigen - nur einfacher würde, wenn seine Söhne gingen, also hielt er sich an eine andere Wahrheit. »Wenn Jes bleibt, werde ich ihn nie von dem Nebelmahr fernhalten können, bis eure Mutter herkommt. Nehmt Scheck mit, damit er nicht gefressen wird, während wir warten.«
    »Wie werdet ihr euch verteidigen?«, fragte Jes.
    »Wenn diese Leute hier seit Tagen festsaßen, nehme ich an, dass wir noch ein paar Stunden länger überleben können«, sagte Tier.
    Jes war nicht erfreut über die Anweisung, aber am Ende ging er nach draußen und hob Schecks Zügel auf. Nach einem kurzen Streit, wer reiten sollte, eilten sie beide mit raschem Schritt davon und führten das Pferd dabei.
    Sobald seine Söhne weg waren, schloss Tier die Tür und verriegelte das Fenster wieder, denn es schien den Schmied nervös zu machen, wenn sie offen waren. Dann setzte er sich auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Erleichtert seufzte er, als seine Knie sein Gewicht nicht mehr tragen mussten.
    Er wandte den Blick von der quälenden Furcht auf den Zügen des Schmieds ab. Die Angst des Mannes vor dem Wesen im Brunnen war nun größer als seine Abneigung gegen Reisende,
aber er war alles andere als froh darüber, mit Tier in diesem engen Haus festzusitzen.
    Tier wollte ihm Zeit lassen, sich zu beruhigen.
    »Hallo«, sagte er zu den beiden Kindern, die immer noch an dem Stützbalken kauerten.
    Der Junge reagierte mit einem misstrauischen Nicken, das Mädchen schmiegte sich nur enger an seinen Bruder.
    »Eine Heilerin wird bald hier sein, um sich um eure Verwandten zu kümmern. Und wir werden das Geschöpf, das ihnen wehgetan hat, vertreiben«, sagte er zu den Kindern. »Ich weiß, dieses Wesen kann einem ziemliche Angst einjagen, aber das kann meine

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