Rabenzauber
befriedigende Weile später sagte Tier: »Das hat mir gefehlt.«
»Mir auch«, sagte sie. Widerwillig stand sie auf und verdunkelte das Licht. »Es wird nicht vollkommen ausgehen. Kein Raum in einer der Mermora kann vollkommen verdunkelt werden - ich glaube, das hat etwas mit dem Wesen der Illusion zu tun.«
»Schon in Ordnung«, sagte er. »Ich wollte ohnehin noch ein wenig mit dir reden, und wenn es dunkel wäre, könnte ich wahrscheinlich nicht wach bleiben.«
»Oh.« Sie nahm ihr eigenes Bettzeug und breitete die Decken über Tier, bevor sie sich wieder neben ihn legte. Mit einem Seufzen schmiegte sie sich an seine Wärme und gähnte. »Dann rede schnell.«
»Erzähl mir von Hennea«, sagte er.
Sie hob den Kopf, aber das Licht befand sich hinter Tier, und sie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen. »Hennea?«
Er lachte. »Wenn du nur deine Stimme hören könntest! Mir sind nur ein oder zwei merkwürdige Dinge aufgefallen, und da unser Sohn sich so sehr für sie interessiert, wüsste ich gerne mehr über sie.«
Sie lehnte sich an ihn. »Merkwürdige Dinge? Was für merkwürdige Dinge?«
Er lachte. »Erzähl mir einfach etwas über sie«, bat er. »Dann werde ich dir sagen, wieso ich frage.«
»Sie ist ein Rabe des Clans von Rivilain mit dem Mondhaar«, begann Seraph zögernd. »Das ist eine bekannte Abstammung bei Reisenden. Ich habe gehört, dass es drei oder vier von Rivilains Clans im Kaiserreich gibt und anderswo noch ein paar mehr. Sie kam zu uns …« Sie hielt inne. »Willst du, dass ich dir die ganze Geschichte erzähle? Das habe ich doch schon einmal getan.«
»Bitte erzähl es mir noch einmal«, sagte er.
Sie zuckte die Achseln. »Sie kam zu uns, weil sie festgestellt hatte, dass du vom Pfad entführt worden warst. Sie hatte zusehen müssen, wie diese Zauberer ihren Geliebten umbrachten. Sie wollte Rache, und sie wollte den Pfad aufhalten.«
»Aber sie kam nicht direkt zum Bauernhof«, sagte er.
»Stimmt. Sie ging zunächst zu der Stelle, wo du angeblich gestorben warst. Sie war auf dem Weg zum Hof, als der Waldkönig sie in Schlaf versetzte und dann Jes ausschickte, um sie herzubringen.«
»Der Waldkönig wollte sie nicht in seinem Reich?«, fragte Tier scheinbar unbeteiligt.
»Ich weiß nicht, was er wollte«, sagte Seraph. »Du kannst ihn ja fragen und sehen, ob er dir eine direktere Antwort gibt. Wenn der Waldkönig geglaubt hätte, dass sie uns etwas
Böses wollte, hätte er sicher Jes nicht geholt, um sie zu uns zu bringen.«
Tier widersprach nicht, also entspannte sich Seraph und schmiegte sich wieder an ihn. »Auf dem Weg nach Taela half sie mir, den Jungen so viel wie möglich beizubringen. Sie hat Jes gerettet.«
»Das hast du vorher nicht erzählt. Wie das denn?«
»Weißt du, was ein Foundrael ist?«, fragte sie.
»Nein … warte mal. Ist das nicht dieses Hüter-Ding, das du einmal erwähnt hast? Das, was die Hüter beherrschen sollte, sie aber stattdessen in den Wahnsinn getrieben hat?«
Sie nickte. »Es gab ursprünglich zehn von ihnen - jetzt sind es nur noch neun. Benroln - ich habe dir doch erzählt, dass sein Clan einer von denen war, die die Solsenti ausnutzen. Er war der Meinung, gute Gründe dafür zu haben; Solsenti hatten seinen Vater und andere Clanmitglieder getötet. Er glaubte, mich zwingen zu können, ihm zu helfen, indem er Jes mit einem Foundrael festhielt. Während ich mich um Benroln kümmerte, ist es Hennea gelungen, das Foundrael zu zerstören.«
»Es war also schwierig?«, fragte Tier mit neutraler Stimme.
Seraph schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich habe so etwas nie versucht.«
»Wie mächtig ist Hennea eigentlich?«, fragte er.
»Ich weiß es nicht. Es gibt keine Maßstäbe für Magie«, sie runzelte die Stirn und fuhr dann verärgert fort, »obwohl Solsenti -Zauberer offenbar denken, dass es so etwas geben sollte. Ausbildung ist ebenso wichtig wie Macht - wenn auch weniger für Raben als für Zauberer ohne Weisung. Hennea ist gut ausgebildet; das merkt man ihr an. Die Leute sagen: ›beherrscht wie ein Rabe‹, und es ist genau diese Gelassenheit, die sie damit meinen.« Unwillkürlich klang sie bei diesen Worten ein wenig sehnsüchtig.
Tier hörte es offenbar, denn er rieb ihr spielerisch die Nase.
»Du kannst dich gut genug beherrschen, dass die meisten Leute denken, du wärest kein bisschen aufbrausend. Was mich angeht, habe ich hier und da nichts gegen eine laute Auseinandersetzung.«
Sie lachte. »Welch ein Unsinn!
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