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Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
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Jes. Es könnte Tage dauern, bis er sich äußern würde, und sie hatte nicht Tiers Geduld.
    »Was ist los, Jes?«
    »Nichts ist los.« Er schaute sie nicht an, aber sie konnte sehen, wie er störrisch das Kinn vorschob.
    Tier konnte mit solchen Situationen besser umgehen als Seraph, aber Tier war nicht hier. Sie dachte noch einmal darüber nach, worüber sie beim Aufstieg zum Tempel gesprochen hatten, und fragte sich, wann Jes’ Unbehagen über die vielen Menschen zu Zorn geworden war.

    »Hennea hat ein Recht auf ihre Geheimnisse«, sagte sie zögernd.
    »Selbstverständlich.« Das Wort wurde sehr deutlich ausgesprochen, aber Seraph wusste, dass der Hüter immer noch ruhte, denn sie spürte nichts von der Gefahr, die mit seiner Präsenz verbunden war.
    »Es gefällt mir nur nicht, wenn sie Dinge verbirgt, die wichtig sein könnten«, begann sie. Sie hätte nicht einmal sagen können, ob er nun wütend auf sie oder auf Hennea war.
    »Tut mir leid.«
    Seraph hob einen kleinen Stein auf und warf ihn den Berghang hinunter.
    »Du wirst noch jemanden treffen«, warnte Jes. »Papa sagt immer, wir sollten das nicht tun.«
    »Tier hat für gewöhnlich recht.«
    »Papa hat immer recht«, sagte Jes verbittert.
    Ah, dachte Seraph. »Jes, dein Vater hat nichts gegen Hennea. Er hat nur mit mir über ein paar Dinge gesprochen, die ihm aufgefallen sind - vergiss nicht, er kennt sie nicht so gut wie wir. Eines dieser Dinge war, dass er glaubt, sie sei älter, als sie zugibt.«
    »Ist das wichtig?«
    »Das könnte sein«, meinte Seraph.
    »Sag es mir lieber nicht«, erwiderte Jes und trat eine Dreckwolke auf Willons Dach zu. »Ich bin zu dumm. Wenn es wichtig ist, sag es lieber Lehr oder Hennea oder Rinnie. Oder du könntest auf den Hüter warten; er ist ziemlich schlau.«
    Hmm, dachte sie.
    »Bis heute dachte ich, dass dein Vater sich einfach geirrt hat, was Henneas Alter angeht. Sie hat mir nicht geantwortet, als ich fragte. Sie hätte lügen können, aber das wollte sie offenbar nicht.«
    »Was hat das schon zu bedeuten?«, fragte er noch einmal.

    »Das Problem ist, dass ich nur drei Gründe kenne, wieso Hennea älter sein könnte, als sie aussieht.« Seraph setzte sich neben Jes auf den Boden, und nach kurzem Zögern ließ er sich ebenfalls nieder. »Der erste ist unmöglich, weil Hennea keine Heilerin ist. Der zweite ist ebenso unwahrscheinlich. Der Schatten kann sehr alt werden und immer noch jung aussehen. Aber Hennea hat dich oft berührt. Du wüsstest es, wenn sie der Schatten wäre. Der dritte ist nicht viel besser. Zauberer - nicht Raben, sondern Solsenti -Zauberer, die sehr mächtig sind - leben länger als üblich.«
    »Hinnum war jahrhundertealt, als Colossae fiel«, sagte Jes.
    »Ich habe ebenfalls gehört, dass er über vierhundert Jahre alt gewesen sein soll«, stimmte Seraph ihm zu. »Immerhin war er der größte Zauberer von Colossae. Dennoch, es ist nicht ungewöhnlich, dass Zauberer älter als hundert Jahre werden.«
    »Hennea könnte eine Zauberin sein«, sagte er. »Du hast mir erzählt, dass alle Raben als Magier zur Welt kommen, genau wie Hüter Empathen sein müssen.«
    »Ich glaube nicht, dass es daran liegt«, sagte sie. »Wenn sie eine Zauberin wäre, hätte sie Volis’ Bibliothek niemals stehen lassen, nachdem wir ihn umgebracht hatten. Ganz gleich, wie müde oder nervös sie war, eine Zauberin hätte die Bibliothek eines anderen Zauberers nicht vergessen können.«
    »Ihr benutzt beide die Mermori -Bibliotheken und versucht, die an Edelsteine gebundenen Weisungen zu befreien.«
    Seraph nickte. »Aber Zauberer sind von Büchern besessen, Jes. Bücher geben ihnen die einzige Möglichkeit, ihre Magie zu wirken. Sie müssen alles über das Wesen des Feuers wissen, bevor sie eine Kerze anzünden können. Das macht Bücher sehr wichtig für sie. Hennea wusste von Volis’ Bibliothek - sie hat hier gewohnt. Aber erst gestern wurde ihr klar, dass diese Bibliothek gefährlich sein könnte.«

    »Sie kam hierher, nachdem sie vor mir davongelaufen ist«, sagte er. »Ich habe sie in Verlegenheit gebracht. Das wollte ich nicht.«
    Das war es also, dachte sie. Das war der wahre Grund für seine Aufregung! Hennea war ihm den ganzen Tag aus dem Weg gegangen. Seraph sah ihren Sohn an und wünschte sich, sie könne ihm den Schmerz des Lebens erleichtern.
    »Sie war wohl verlegen, das stimmt.« Seraph war nie der Ansicht gewesen, dass eine Lüge über etwas Schmerzhaftes es weniger schmerzhaft machte.
    »Ich war ihr

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