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Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
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schnellsten Weg zeigen.«
    Jes stand auf und stieg die Leiter hinab, damit Lehr an ihm vorbeikam.
    »Ich möchte noch mit dir reden, Jes«, sagte Papa.
    Jes nickte und sprang auf den Boden, wobei er in die Knie
ging, damit er leise aufkam und Hennea oder Rinnie nicht weckte.
    Lehr, der hinter ihm auf der Leiter war, sagte leise: »Danke.«
    Jes nickte und kletterte zurück zu seinem Vater. »Papa?«
    »Schließ die Tür und setz dich, Sohn.«
    Jes schloss die Tür, dann nahm er Lehrs Platz ein, denn bei geschlossener Tür wurde es dort, wo er zuvor gesessen hatte, zu eng für ihn.
    »Erinnerst du dich an den Schmied, dem wir auf dem Rückweg geholfen haben?«, fragte er. Jes wusste, dass es sich nicht wirklich um eine Frage handelte, aber er nickte. »Als der Hüter sagte, er habe einen Nebelmahr gerochen, fragte ich ihn, woher er diese Wesen kannte.«
    Dem Hüter gefiel dieses Gespräch überhaupt nicht, und Jes tat sein Bestes, beruhigende Gedanken zu senden.
    »Du hast geantwortet, du wüsstest es nicht.«
    »Ich erinnere mich«, sagte Jes. »Ich wusste es nicht.«
    »Und der Hüter?«
    Es ist schon gut, wir wollten ohnehin mit Papa über diese Sache reden, erinnerst du dich? Er erhielt zur Antwort nur ein unruhiges Aufbrausen, das ihm nicht sonderlich weiterhalf.
    »Jes«, sagte Papa mit nur einer Spur von Macht in seiner Stimme.
    Es genügte, damit Jes die Aufmerksamkeit wieder ihm zuwandte. »Er hat sich erinnert«, berichtete er. »Aber wir wissen selbst nicht, wie. Es regt ihn auf.« Er holte Luft. »Ich glaube nicht, dass er sich gerne erinnert.«
    »Bist du sicher, dass er nicht noch mehr weiß?«, fragte Papa sanft. »Ich habe den Hüter gefragt, Jes, und er ließ dich herauskommen, um zu antworten. Ich denke, er weiß mehr darüber, und er will nicht, dass du es …«
    Der Hüter schob Jes weg, so weit, dass dieser nicht einmal den Rest von Papas Satz hörte.

    »… erfährst.« Tier hielt inne, um sich auf die Unruhe einzustellen, die ihn veranlassen wollte, von dem Mann, der zu seinen Füßen saß, wegzurücken. Jes war weg, und nur der Hüter war geblieben.
    »Ich will nicht, dass er Angst bekommt«, sagte der Hüter.
    »Es ist gefährlich, Geheimnisse zu haben«, erwiderte Tier. »Deine Mutter macht sich Sorgen um dich. Sie sagte mir, es sei wichtig, dass ihr euch sehr nahesteht, du und Jes.«
    Der Hüter erhob sich mit der ihm eigenen Geschmeidigkeit und Kraft. Tier fühlte sich erinnert an Situationen, in denen er geglaubt hatte, einen Hund vor sich zu haben, und dann feststellen musste, dass es ein Wolf war. Jes und der Hüter hatten in ihren Bewegungen keinerlei Ähnlichkeit miteinander.
    »Es gibt einige Dinge, die er nicht wissen muss«, erklärte der Hüter.
    »Er hatte recht«, stellte Tier überrascht fest. »Du fürchtest dich tatsächlich.«
    Der Hüter zischte.
    »Du kannst mich nicht belügen.« Tier sprach weiterhin leise, obwohl sein Herzschlag schneller geworden war. »Jeder hat irgendwann einmal Angst. Es ist in Ordnung, wenn Jes ebenfalls Angst hat. Aber es ist nicht gut, dass du Dinge vor ihm verbirgst. Du musst ihm mehr vertrauen.«
    »Du weißt überhaupt nichts«, fauchte der Hüter. »Du bist ein Barde - gesegnet, nicht verflucht.«
    Tier zog eine Braue hoch. »Du bist nicht verflucht! Man hat dir nur ein sehr steiniges Feld zu bearbeiten gegeben. Mir kommt es so vor, als würdest du gute Arbeit leisten. Aber ihr müsst gemeinsam arbeiten, oder du wirst es nicht schaffen, Sohn.«
    »Ich bin nicht dein Sohn«, sagte der Hüter. »Jes ist dein Sohn. Ich bin der Dämon, mit dem er verflucht ist.«

    Das kam vollkommen gefühllos heraus, aber kein Vater konnte den Aufschrei in diesen Worten überhören.
    »Du bist mein Sohn«, erwiderte Tier und beugte sich dicht genug zu dem Hüter, dass sein Atem zu eisigem Nebel wurde. »Ich liebe dich. Ich mache mir Sorgen um dich.«
    »Du machst dir Sorgen um Jes«, sagte der Hüter und wandte den Kopf ab.
    Die finstere Überzeugung des Hüters erinnerte Tier plötzlich daran, wie er zwei Tage vor seinem Aufbruch in den Krieg mit seinem Vater gesprochen hatte. Sein Vater hatte sich umgedreht und seinen Sohn stehen lassen, während Tiers verzweifelter Aufschrei noch im Haus widerhallte: »Du liebst die Bäckerei mehr als mich.«
    Er dachte über diesen aufbrausenden jungen Mann nach, der sein Sohn war, dann sagte er das Erste, was ihm einfiel. »Du erinnerst mich an meine Schwester Alinath. Niemand konnte sie jemals von etwas überzeugen, wovon

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