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Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
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Verstand zu verlieren.«
    »Sie will uns um meinetwegen nicht haben.«
    Jes wusste, wen er mit »sie« meinte. Er lächelte intensiver. »Papa sagt, Hennea liebt uns. Geben wir ihr Zeit zu verstehen, dass wir stärker sind, als sie glaubt.«
    Er wartete noch einen oder zwei Herzschläge, aber der Hüter hatte alles gesagt, was er sagen wollte.
     
    Tier ruhte, aber er konnte nicht schlafen. Hatte er Jes genug gesagt? Oder zu viel? Er wusste nicht so viel über die Weisung des Hüters, wie er wissen sollte - aber nach dem, was Seraph ihm erzählt hatte, ging das allen anderen ebenso.
    Er hörte, wie Lehr sich in dem Raum unten unruhig im Schlaf bewegte. Er machte sich auch um Lehr Sorgen. Lehr war ein besonnener junger Mann, er würde kein Risiko eingehen, solange es keine andere Möglichkeit gab. Wenn er unterwegs nur auf ein halbes Dutzend Banditen stoßen würde, wäre Tier nicht einmal halb so nervös gewesen. Aber gegen eine Seuche halfen Vorsicht und Fähigkeiten nur wenig. Er musste sich darauf verlassen, dass Lehrs Weisung ihn sicher zu Benrolns Clan brachte und dass Brewydds Fähigkeiten seinen Sohn vor der Seuche bewahren konnten.
    Es ging ihm gegen den Strich, dass sein Sohn für ihn sein Leben aufs Spiel setzen würde. Es kam ihm vollkommen verkehrt vor. Ein Vater sollte sein Leben opfern, um seine Familie zu retten - und sich nicht auf seinen Sohn verlassen müssen. Aber er hatte während seiner Gefangenschaft beim Pfad, als er glaubte, nicht überleben und sein Zuhause nie wiedersehen zu können, Zeit genug gehabt, um zu dem Schluss zu kommen,
dass seine Familie ohne ihn zu verwundbar war. In fünf Jahren würde das nicht mehr unbedingt der Fall sein, aber jetzt brauchten sie ihn noch. Und er wusste, dass es ihm trotz Seraphs Flickarbeit nicht wirklich gut ging.
    Sein Aufenthalt beim Pfad hatte mehr als nur körperliche Probleme verursacht, und er war sicher, dass ihm mehr drohte, als nur seine Singstimme zu verlieren. Seraph hatte ihm oft genug gesagt, dass die Weisung keineswegs nur eine Fassade darstellte, die sich leicht von dem Mann, der er war, trennen ließ: Sie war so sehr Teil von ihm wie sein rechter Arm. Er hatte Angst, dass die Meister es mit ihrer Magie geschafft hatten, seine Weisung von ihm abzutrennen, und er es nicht mehr aufhalten könnte, dass sein Lebensblut aus ihm herausfloss.
    Seraph rollte sich zu ihm, schlang die Arme um seinen Arm und schmiegte das Gesicht an ihn, bis sie sich in ihrer liebsten Schlafposition befand. Sie entspannte sich wieder in ihrem erschöpften Schlaf, aber die Wärme ihres Atems an seinem Arm tröstete ihn ein wenig. Er döste weiter und wartete darauf, dass Jes zurückkehrte, damit er schlafen konnte, weil er wusste, dass seine Familie in Sicherheit war.
    Die Tür öffnete sich knarrend, und Jes sagte: »Papa, der Kaiser ist zu Besuch gekommen.«
     
    Phoran dachte bei sich, dass der Hauptraum von Tiers Häuschen mehr als fünfmal in sein Wohnzimmer im Palast gepasst hätte. Er tat hinter Jes ein paar Schritte nach drinnen, und seine Gardisten folgten ihm.
    »Jes?« Eine müde Stimme erklang von der anderen Seite des Zimmers. Dann wurde sie scharf und klar. »Der Kaiser?« Die Vernunft sagte ihm, dass es Tiers jüngerer Sohn Lehr war, obwohl er in der Dunkelheit nichts weiter sehen konnte als den Umriss eines sitzenden Mannes.
    In einem Raum unterm Dach wurde eine Laterne angezündet,
und das Licht fiel durch die Ritzen zwischen den Dielen in der Tür. »Phoran?«
    Tiers melodische Stimme klang wie eine Glocke. Phoran spürte, wie die Angst, die auf dem gesamten Ritt von Taela bis hierher nicht von ihm gewichen war, nun langsam von ihm abfiel.
    Die Laterne in der Hand und ein breites Grinsen im Gesicht, kam Tier die Leiter vom Speicher herunter. »Ich hatte nicht erwartet, Euch hier zu sehen, mein Kaiser.« Er hob die Laterne und blickte hinter Phoran, wo er vier Männer sah, die früher einmal Sperlinge des Geheimen Pfads gewesen waren und Phoran nun als Leibwächter dienten. Und da Tier nun einmal Tier war, kannte er sie alle. »Willkommen, Kissel, Toarsen, Rufort und …« Er hob die Laterne höher. »Oh, Ielian, nicht wahr? Willkommen in meinem Haus. Was führt Euch her?«
    »Das ist eine lange Geschichte«, sagte Phoran. »Wenn es Euch nicht stört, würde ich meine Männer gern nach draußen schicken, damit sie in Eurer Scheune schlafen können. Wir sind so schnell geritten, wie unsere Pferde uns tragen konnten, und wir sind alle

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