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Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
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sie nicht überzeugt werden wollte.«
    »Ich bin kein bisschen wie Alinath!« Der Hüter verschränkte die Arme und setzte sich auf die Fersen.
    »Doch. Sie hat ihre Ansicht immer nur dann geändert, wenn sie schließlich aufhörte zu widersprechen und anfing zu denken. Also denk darüber nach, was ich gesagt habe - sag Jes, wovor du dich fürchtest. Man kann die Last der meisten Probleme lindern, indem man sie einem anderen mitteilt. Hab Vertrauen zu Jes.«
    Der Hüter schwankte leicht von einer Seite zur anderen, wie es Jes tat, wenn er aufgeregt war.
    »Warum gehst du heute Abend nicht in den Wald?«, schlug Tier freundlich vor. »Ich habe festgestellt, dass Bewegung und Einsamkeit einem vieles klarer machen können.«
    Ohne ein Wort öffnete der Hüter die Tür und verließ den Raum. Tier hörte, wie die Haustür leise geöffnet und geschlossen
wurde, dann wandte er sich seiner schlafenden Frau zu. »Ich hoffe, das hat ihm geholfen.« Er küsste Seraph, dann blies er die Laterne aus und war bald schon eingeschlafen.
     
    Als Jes wieder zu sich kam, lag er auf einem Ast, die Klauen tief in die Rinde geschlagen, als ob der Hüter sie geschärft hätte.
    Es gelang ihm, vom Baum zu klettern, bevor er die Katzengestalt verlor. Das war nicht einfach, aber immer noch angenehmer, als herunterzufallen.
    Als er wieder Menschengestalt hatte, beugte er sich vor, streckte sich und versuchte zu erkennen, wo er sich befand. Er fühlte sich nicht allzu müde - es war nicht diese tiefe Müdigkeit, die ihn manchmal überfiel, wenn er aufwachte, nachdem der Hüter ihn ausgeschlossen hatte. Hoffentlich würde er nicht lange brauchen, um wieder nach Hause zu kommen.
    Er fragte sich, was Papa wohl zu dem Hüter gesagt hatte, das ihn in den Wald laufen ließ.
    »Wir müssen reden.« Der Hüter wirkte beinahe kleinlaut.
    »Also gut.« Jes’ allzu menschliche Stimme hörte sich so tief im Wald irgendwie falsch an. Er hätte auch nicht unbedingt laut sprechen müssen - aber es half ihm zu verfolgen, wer was sagte.
    »Papa sagt, ich solle nichts vor dir verbergen. Nicht einmal Dinge, die mir Angst machen.«
    »Was macht dir denn Angst?«
    »Wenn ich mich erinnere.«
    »Das weiß ich.«
    Ungeduld und Enttäuschung überwältigten ihn; Jes schüttelte den Kopf in dem vergeblichen Versuch, diese Gefühle loszuwerden.
    »Also gut, erklär es mir«, brachte er schließlich hervor. »Warum ist es so beängstigend, dich zu erinnern?«

    »Ich war einmal etwas anderes. Ich war mehr. Etwas Gefährliches, das dir wehtun könnte.«
    »Du warst immer schon gefährlich«, widersprach Jes. »Darum geht es doch bei unserer Weisung, oder? Wie können wir sie beschützen, wenn wir nicht gefährlich sind?«
    Der Hüter gab keine Antwort, also begann Jes mit dem Heimweg. Während sie sich unterhalten hatten, hatte er im Mondlicht drei charakteristische Punkte entdeckt, die ihm eine recht gute Vorstellung davon gaben, wo er sich befand und wie er am schnellsten nach Hause gelangen würde.
    »Ich hatte immer angenommen, ich sei ein Teil von dir, ein Teil, der nur durch die Weisung von dir getrennt bleibt.«
    »Du bist ein Teil von mir.«
    Widerspruch überwältigte ihn, und Jes stolperte über einen heruntergefallenen Ast, der auf seinem Weg lag. Er blieb stehen.
    »Ich bin tatsächlich ein Teil der Weisung«, sagte der Hüter. »Aber ich war einmal mehr als das. Nun bin ich nur noch ein Blutegel, der dich irgendwann vernichten wird.«
    Die Schuldgefühle des Hüters trieben Jes Tränen in die Augen.
    »Du bist ein Teil von mir«, widersprach er. »Du hilfst mir, meine Familie zu beschützen. Morgen werden wir Lehr folgen und für seine Sicherheit sorgen. Das ist es, was wir tun.«
    »Ich verderbe dir dein Leben. Um meinetwegen will sie dich nicht sehen. Und ich werde schließlich bewirken, dass du den Verstand verlierst.«
    »Nein«, sagte Jes.
    »Ich erinnere mich. Ich erinnere mich an den Wahnsinn. Ich werde dich um den Verstand bringen, wie ich es schon mit anderen getan habe. Ich sehe ihre Gesichter, wenn ich träume. Deshalb will Hennea uns nicht haben.«
    »Noch bin ich nicht verrückt«, erwiderte Jes. »Und ich fühle mich auch nicht so, als würde es bald geschehen. Vielleicht
bin ich anders als all die anderen. Mutter glaubt das jedenfalls.« Er lächelte in sich hinein. »Sie sagt, es liegt vielleicht an meinem störrischen Solsenti -Blut. Sie sagt, wenn Tante Alinath zu stur sei, sich der Vernunft zu beugen, dann kann ich auch zu stur sein, den

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