Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
ist die Pflicht eines jeden Mannes, seinem Kaiser und dem Reich so gut zu dienen, wie er kann.«
    »Also gut«, murmelte Avar, aber er klang alles andere als froh.
    Phoran kam zu dem Schluss, dass es besser wäre, die Sache gleich zu erledigen, bevor er sich noch einmal mit Avar streiten musste, also stand er auf. »Kommt alle mit und lasst uns sehen, ob mein Schreiber die Papiere schon aufgesetzt hat. Wir werden Zeugen brauchen.«
    »Ihr habt sie bereits aufsetzen lassen?«
    Phoran grinste Avar an. »Ich kenne dich doch, mein Freund. Du bist nie einer Pflicht aus dem Weg gegangen.«
     
    Phoran hatte einen neuen Schreiber. Der letzte, dessen Pflichten erheblich einfacher gewesen waren als die Aufgaben des Schreibers eines richtigen Kaisers, hatte sich dem Pfad angeschlossen und gehörte zu den Herren, die irgendwann in der nächsten Woche auf dem Marktplatz gehängt werden würden.
    Phoran hatte seinen neuen Schreiber selbst gefunden, mithilfe seines Archivleiters, der nicht sonderlich froh darüber gewesen war, seinen begabtesten Gesellen zu verlieren. Der Kaiser hatte dem jungen Mann mehrere Räume in einem wenig benutzten Flügel zugewiesen, die über einen Geheimgang zur Bibliothek verfügten, wo der Schreiber tagsüber arbeitete. Es war spät am Tag, und Phoran hatte ohnehin darum gebeten,
dass diese Sache geheim gehalten würde, bis er die Papiere unterzeichnet und bezeugt hatte.
    Auf dem Weg zu den Räumen des Schreibers fragte sich Phoran nicht zum ersten Mal, was sich seine Ahnen wohl gedacht hatten, als sie den Palast bauten. Es gab hier so viele unbenutzte Räume, dass in ihnen ganze kleine Zivilisationen wachsen und gedeihen konnten, ohne dass je irgendjemand etwas davon erfuhr. Da der Palast über viele Generationen errichtet worden war, existierte auch nicht das geringste Muster für seine Anlage.
    Phoran führte seine Leute drei Stockwerke hoch, durch zwei Flure, dann wieder ein Stockwerk abwärts und durch mehrere kleine Türen, von denen die letzte sich zu einer Galerie öffnete, von der aus man über ein taillenhohes Geländer zu einem Becken drei Stockwerke tiefer hinabschauen konnte. Ein erhöhter Bereich in der Mitte war offenbar einmal ein Brunnen gewesen, aber nun blieben die Mäuler der steinernen Fische trocken.
    Der gesamte Teich - der tiefer war als der Stock, den Phoran einmal hineingeschoben hatte, und außerdem lang und breit genug für einen kleinen Wal - war von einem Schleim bedeckt, der die gesamte Galerie unangenehmen nach Fisch riechen ließ, obwohl frische Luft hereinkam, weil es droben keine Decke gab.
    »Ihr habt hier einen Schreiber untergebracht?«, fragte Avar. »Was hat er Euch angetan?«
    »Das ist nur der kürzeste Weg«, erklärte Phoran. »Wenn Ihr aufhören würdet, alle paar Schritte glotzend stehen zu bleiben, wären wir gleich da.«
    »Ich denke, das hier könnte der Grund sein, wieso sie in der Kunstgalerie immer Tauben haben.« Kissel schirmte die Augen mit der Hand gegen die helle Sonne ab, die diesen Bereich so ganz anders wirken ließ als die trüb beleuchteten Flure, durch die sie zuvor gekommen waren.

    »Ich war noch nie hier«, sagte Toarsen und beugte sich über das Geländer. »Und dabei habe ich den Palast jahrelang erforscht. Wie konnte mir das entgehen? Habt Ihr daran gedacht, den Brunnen wieder zu erneuern?«
    »Fall runter, und du brauchst dir wegen des Brunnens keine Gedanken mehr zu machen. Phoran hat irgendwo alle Baupläne des Palastes«, sagte sein Bruder. »Er kennt etliche seltsame Orte.«
    »Nicht alle Baupläne, bei Weitem nicht«, erwiderte Phoran. »Oder wenn es wirklich alle Baupläne sind, ist darauf viel ausgelassen worden.«
    Der unverbesserliche Toarsen drehte sich, bis statt seines Bauchs sein Rücken am Geländer ruhte, und blickte nach oben. »Drei Stockwerke hoch? Wie sieht denn das Ganze von außen aus, Phoran? Sind wir hier im nördlichen Hauptbereich oder …«
    Das Geräusch einer Tür, die gegen die Wand krachte, ließ Phoran rechtzeitig von Toarsen wegschauen, damit er sehen konnte, wie Bewaffnete in die Galerie stürzten.
    Einen Moment lang fragte er sich dümmlich, was diese Männer mit ihren Masken und fuchtelnden Schwertern denn hier wollten, dann rief Gerant: »Attentäter!«
    Avar brüllte Phorans Kampfschrei, um alle zu alarmieren, die auf Hörweite waren. Aber es bestand nur eine schwache Hoffnung, dass jemand kam - wann immer Phoran diesen Weg in den letzten Wochen genommen hatte, war er nie jemandem begegnet. Und

Weitere Kostenlose Bücher