Rabenzauber
nicht zu atmen, setzte sich aber hin. Seine Augen tränten, und nun holte er vorsichtig Luft - und Rinnie sackte erleichtert in sich zusammen. Sie erkannte die Anzeichen, denn sie war ein- oder zweimal von den Dachbalken der Scheune gefallen.
»Es hat Euch nur die Luft aus der Lunge gedrückt«, sagte sie. »Das wird schon wieder.«
»Der Schatten kommt«, zischte das Memento irgendwo direkt hinter ihr.
Phoran, der immer noch nicht richtig atmen konnte, stand auf. Rinnie packte fest seine Hand, als sie sah, was direkt hinter ihm lag.
Ielian würde so schnell niemandem mehr wehtun.
Sie wandte sich ab und wollte davonlaufen, aber Phoran hielt sie fest. »Warte. Er hat ein Amulett - nein, schau nicht hin.«
Er ließ sie kurz los und kehrte kopfschüttelnd zurück. »Sinnlos«, sagte er, nahm ihre Hand erneut und eilte mit ihr davon.
»Wonach habt Ihr gesucht?«, fragte Rinnie.
»Ein Amulett, das den Bann des Schattens angeblich aufhebt.«
»Wie habt Ihr Euch denn befreien können?«
Er lächelte sie an, obwohl seine Augen sehr müde waren. »Niemand erteilt einem Kaiser Befehle«, sagte er. »Es ist unglaublich - einfach undenkbar.«
Rinnie versuchte zu verstehen, was diese Antwort bedeutete, aber sie konnte nicht erkennen, wie sie mit der Frage zusammenhing.
»Sein Bann war eine Illusion«, versuchte Phoran, es besser zu erklären. »Als ich nicht mehr daran glaubte, konnte ich mich wieder bewegen.«
»Er hat ein paar Leuten wehgetan, bevor er mich mitnahm«, sagte Rinnie. »Ich erinnere mich an Blut, und dass Gura bellte.«
Phoran packte ihre Hand fester. »Rufort ist tot. Ich denke, Kissel wird sich wieder erholen. Ich habe auch Gura verbunden, aber er hat viel Blut verloren. - Sieh mal, da kommt Lehr.«
Rinnie blickte nach vorn und sah, dass ihr Bruder auf sie zurannte. Phoran richtete sich ein wenig auf und wurde schneller, bis sie ebenfalls liefen. Lehr holte sie ein und rannte mit ihnen.
»Der Schatten ist hinter uns her«, sagte Phoran zu Rinnies Bruder. »Wir müssen verschwinden.«
Dass er wieder atmen konnte, machte Phoran aufmerksamer für seine Umgebung, also sah er Toarsen und Kissel, bevor sie ihn entdeckten. Toarsen hatte einen professionelleren Verband zustande gebracht als Phoran, und Kissel stand aufrecht.
Kissel sah nicht aus wie jemand, der gleich sterben würde, und das war großartig. Er sah allerdings auch nicht aus wie jemand, der im Laufschritt zum Lager eilen konnte.
»Gura!« Rinnie rannte zu dem zottigen schwarzen Hund, aber der lag Unheil verkündend still da.
Der Schrei eines Habichts hallte in den leeren Straßen wider. Phoran blickte zum Turm, konnte den Vogel aber nirgendwo sehen.
»Oben auf dem Haus auf der anderen Straßenseite«, sagte Lehr finster. »Das ist er, nicht wahr?«
»Ja. Wir werden uns zurückziehen. Toarsen, pass auf Kissel auf«, ordnete Phoran an, ohne den Vogel aus den Augen zu lassen. »Ist Gura noch am Leben?«
»Ja«, sagte Lehr widerstrebend, denn er wusste ebenso wie Phoran, dass es das Richtige wäre, dem Hund die Kehle durchzuschneiden.
»Kannst du ihn tragen?«, fragte Phoran.
Willon spielte mit ihnen. Keiner von ihnen konnte den Schatten besiegen. Nur Rinnie und Lehr verfügten über Magie. Lehr hatte seinen Bogen im Lager gelassen; und ein Jagdmesser, die einzige Waffe, die der Falke am Leib trug, würde gegen Willon nicht helfen.
»Ja, ich kann ihn tragen«, sagte Lehr leise.
Wenn wir schon sterben, dachte Phoran, dann sterben wir gemeinsam.
»Der Hund wurde verwundet, als er versuchte, Rinnie zu verteidigen«, sagte er dann laut. »Wir holen ihn raus, wenn wir können.«
»Dieser Vogel ist der Schatten, nicht wahr?«, fragte Toarsen. »Warum beobachtet er uns nur?«
»Vielleicht wartet er darauf, dass wir den Hund töten«, antwortete Phoran.
20
Ä chzend hob Lehr den Hund hoch. Phoran nahm an, dass Gura um die 140 Pfund wog. Er würde den Hund nicht den ganzen Weg ins Lager zurücktragen können. Und Kissel war auch nicht in der Verfassung für einen so weiten Marsch.
Phoran warf einen Blick zu dem Habicht, der sie beobachtete. Wahrscheinlich würde das Tragen des Hunds noch ihr kleinstes Problem sein.
»Phoran, wo geht Ihr hin?«, fragte der Habicht. »Lauft, Phoran, lauft! Es wird Euch nichts …« Etwas, das Phoran nicht erkennen konnte, prallte gegen den Habicht und stieß ihn vom Dach.
Eine Elster flog hinter Phoran und landete auf dem Boden, dann verwandelte sie sich in Hinnum.
»Lauft«, sagte er, ohne den
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