Rabenzauber
der Jahre viele singen gehört, und keiner war so gut wie dein Vater.« Willon senkte die Stimme zu einem grausamen Flüstern. »Aber ein Barde kann es nicht mit mir aufnehmen. Er kann mich nicht zu Tode singen, Rinnie. Er kann mich nicht anrühren. Und solange ich dich habe, kann auch deine Mutter nichts tun, ebenso wenig wie der andere Rabe.«
»Die Leute machen sich immer Gedanken wegen meiner Mutter«, sagte Rinnie und klang erheblich erwachsener, als es ein Kind in ihrem Alter sein sollte. »Und das sollten sie auch. Aber Mutter sagt, sie unterschätzen dabei meinen Vater. Sie sehen den Sänger, den fröhlichen, ausgeglichenen Mann, und sie erkennen nicht, dass all das etwas anderes verbirgt. Als meine Mutter noch jung war, starb ihr gesamter Clan bis auf sie und ihren Bruder. Dann starb auch ihr Bruder. Sie sagte, nach all diesen Erlebnissen lag die einzige Sicherheit, die sie finden konnte, in den Armen meines Vaters. Ihr solltet nie vergessen, dass der Rabe zu meinem Vater floh, um in Sicherheit zu sein.«
Der Wind war stärker geworden, bemerkte Phoran, als er ihm kalt und heftig in den Nacken blies.
»Ich werde daran denken«, sagte Willon, aber er klang geringschätzig. »Ich war damals in Redern, und ich erinnere mich an eine Frau, die kaum mehr als ein Kind war, das einen erwachsenen Mann suchte, der sich um es kümmerte. Ein Barde ist jemand, der sich gut erinnern kann. Seine Aufgabe im Clan besteht darin, die Geheimnisse zu wahren und die Reisenden daran zu erinnern, was sie einmal waren. Tier ist ein Barde.«
»Mein Vater ist ein Barde«, stimmte Rinnie leise zu. »Aber er ist nicht nur das.«
Dann ertönte ein Klatschen von Haut auf Haut, das Phoran veranlasste, sich wieder zu bewegen.
»Hör auf, mit mir zu spielen, Kind«, sagte Willon. »Setz dich hin und schweig.«
Phoran bewegte sich, so schnell er konnte, und er wurde mit dem Anblick von Willons Rücken keine zwei Schritte von ihm entfernt belohnt. Rinnie saß auf dem Boden, und ihr Gesicht verfärbte sich bereits von Ielians Schlägen. Blut tropfte von ihrer Lippe, und der Riss an ihrer Unterlippe sah für Phorans in Kneipenschlägereien geschulte Augen frisch aus.
Aber Willon drehte sich um, bevor der Kaiser angreifen konnte, und er lächelte. »Ich wunderte mich schon, wann Ihr hier eintreffen würdet. Sagt mir, wo ist mein Ielian?«
Wenn eine Lüge ihnen hätte helfen können, hätte Phoran gelogen. »Tot«, sagte er.
Willons Gesicht wurde ausdruckslos. »Schade. Er war mir nützlich.«
»Wie habt Ihr ihn vor Jes und Lehr verbergen können?«, fragte Phoran. »Sie können es spüren, wenn jemand vom Schatten besudelt wurde.« Lass ihn reden, dachte er. Gib Rinnie Zeit, ihr Unwetter weiter aufzubauen. Nach einem ersten nervösen Blick sah er Rinnie nicht mehr an. Er wollte, dass Willon sich auf ihn konzentrierte.
»Er war nicht besudelt«, sagte Willon. »Ich brauchte nichts zu tun, um ihn zu einem der Meinen zu machen. Er gehörte zu jenen Leuten, die von der Macht des Pirschgängers angezogen werden, von der Macht der Zerstörung. Ich habe noch andere Helfer, aber er war ein vielversprechender Junge und verdiente die Belohnungen, die ich ihm jetzt nicht mehr geben kann.«
Phoran schnaubte und ging auf die offene Hälfte des Turms zu, um über die oberschenkelhohe Mauer hinwegzusehen, die
als Einziges zwischen ihm und dem Fuß des Steilhangs stand. »Er war kein angemessener Diener für einen Mann wie mich oder auch nur für einen, wie Ihr es seid. Er befolgte seine Befehle nicht - er hat den Hund und Rufort getötet. Wenn er das nicht getan hätte, wäre ich wahrscheinlich nicht imstande gewesen, Eure Illusion zu brechen.«
»Tod dient dem Pirschgänger immer«, sagte Willon und folgte Phorans Bewegungen. »Ielian war vielleicht ein wenig übereifrig, aber loyal.«
Phoran verzog den Mund. »Es machte ihm Spaß zu töten. Das war alles. Er diente Euch, weil Ihr ihm Gelegenheit zum Töten gabt. Aber wenn er die Möglichkeit gehabt hätte, hätte er Euch ebenfalls umgebracht.«
Es war ihm gelungen, Willon zu veranlassen, dass er sich umdrehte, sodass der Schatten sich nicht mehr zwischen Rinnie und der Treppe befand.
»Aber es ist so viel interessanter, mit Tigern zu arbeiten als mit Schafen, findet Ihr nicht auch, Phoran?«
»Ihr seid ein Bauer«, erwiderte Phoran kühl und ging weiter von der Treppe weg, als hätte er überhaupt keine Angst vor Willon. »Wir haben Euch nicht erlaubt, Uns auf so vertrauliche Weise
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