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Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
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nicht.«
    Sie hatte Widerspruch erwartet - nach ihrer Erfahrung gefiel es Männern nicht, wenn man ihnen mitteilte, sie seien hilflos. Phorans Worte schienen in keinem Zusammenhang mit dem zu stehen, was sie gesagt hatte.
    »Selbstverständlich tut er das«, antwortete sie. »Wir haben zwanzig Jahre im selben Dorf gelebt.«
    Phoran lächelte - dieses liebenswerte Lächeln, mit dem er zweifellos mehr Ärger abgewehrt hatte als zehn andere Kinder. »Ja, aber er kennt Euch nicht wirklich. Er kennt eine leise,
kalte Frau, herrisch und stark, die sich für nichts anderes interessiert als für Tier und ihre Familie.«
    »Und?«
    »Die Frau, die er zu kennen glaubt, würde ihre Familie nie in Gefahr bringen. Nicht für einen Kaiser, und ganz bestimmt nicht für seine Gardisten.« Sein Lächeln wurde strahlender, und seine müden Augen begannen zu leuchten. »Und er hätte recht - nur, dass Ihr uns nicht als Kaiser und Gardisten seht. Ich sah Euer Gesicht, als wir Euch erzählten, dass Rufort tot ist - aber Willon sah es nicht. Er könnte nicht verstehen, dass Ihr uns gern habt, weil er niemanden liebt. Er wird nicht versuchen, uns als Geiseln zu nehmen.«
    Dann tat er etwas vollkommen Unerwartetes. Er stand auf, wischte sich die Hosenbeine ab, ging zwei Schritte auf Seraph zu, beugte sich vor, bis sein Kopf auf gleicher Höhe war wie ihr Gesicht, und küsste sie auf beide Wangen. »Er glaubt, Tier wäre weich, und hält Euch für hart - und er irrt sich in beidem.«
    Sie konnte spüren, wie Hitze in ihre Wangen stieg.
    »Wir wissen das«, sagte Phoran. »Aber er nicht.«
    »Nun ja«, sagte sie verlegen und war beinahe dankbar für Jes’ leise grollende Warnung.
    »Er kommt«, sagte Lehr und stand auf. »Ich spüre es ebenfalls, Jes. Er versucht nicht, sich vor uns zu verstecken.«
    »Haltet Euch bedeckt«, sagte Seraph zu Phoran und seinen Männern. Dann streckte sie die Hand zu Rinnie aus. »Wir brauchen dich bei uns«, sagte sie. »Komm, Lehr.«
    Auf Henneas Anweisung stellten sie sich im Halbkreis auf, Tier stand in der Mitte. Als Willon in Sicht kam, packte Seraph Rinnies und Lehrs Hände fester. Sie sah, wie Jes Henneas Hand nahm, und schließlich griff Hennea nach Tiers Hand. Sobald sie das taten, spürte Seraph, wie es geschah. Genau, wie Hennea es vorhergesehen hatte, entstand schlagartig eine
Verbindung zwischen ihr und den anderen fünf Weisungsträgern, die vor dem Schatten standen. Also erlaubte der Lerchenring ihr tatsächlich, die fehlende Weisung zu vertreten.
    »Ich will Euch nichts tun«, sagte Willon und blieb einige Schritte vor ihnen stehen. Er war jung, sah Seraph, und hatte wieder dunkles Haar, das er im Nacken zusammengebunden trug. An der Stirn hatte er einen blauen Fleck, und er bewegte sich eher steif: Seraph freute sich zu wissen, dass er aus seinem Kampf mit Hinnum nicht ohne Wunden hervorgegangen war.
    »Tier«, sagte er. »Ihr seid ein Barde, Ihr wisst, dass ich die Wahrheit sage. Ich wollte Euch nie etwas Schlechtes. Ich brauche nur Eure Frau, damit sie die Steine mit den Weisungen so bearbeitet, dass sie für mich funktionieren werden - oder noch besser, gebt mir die Steine und zeigt mir, wie es geht. Ich lasse Euch in Frieden bis ans Ende der Tage Eurer Kindeskinder - darauf gebe ich mein Wort.«
    »Wir sind Reisende«, erwiderte Lehr mit einem Grollen, das klang, als hätte es aus dem Mund seines Bruders kommen sollen. »Wir können den Schatten nicht davonkommen lassen.«
    Willon riss die Hände hoch. »Der Schatten, der Schatten! Der Schatten ist vor fünfhundert Jahren gestorben, ein Narr, der lediglich versuchte, am Leben zu bleiben, und so entzog er allen anderen ihr Leben. Er tötete alle, die ihm wichtig waren, um etwas zu bewahren, was sich ohne sie als wertlos erwies. So bin ich nicht. Tier, Ihr kennt mich, ich würde so etwas nicht tun. Ich genieße eine Herausforderung, Tier, und ein Lied am Abend. Ich bin nicht der Schattenkönig.«
    »Vielleicht noch nicht«, sagte Hennea. »Aber auch er war nicht immer der namenlose König. Er war einmal ein guter Mann, der für sein Volk arbeitete. Zunächst sah er nur eine Möglichkeit, für den Wohlstand seines Königreichs zu sorgen.«
    »Er tötete sie«, sagte Willon. »Er vernichtete sein Königreich. Ich würde niemals jemandem wehtun.«
    »Das solltet Ihr Rufort sagen«, fauchte Rinnie.
    Seraph drückte fest ihre Hand. Sie wollte nicht, dass der erste Angriff gegen ihre Tochter erfolgte.
    »Ielian hat den Gardisten und den Hund

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