Rabenzauber
Heilerin hätten.« Er lächelte Seraph an. »Im Moment wird es dadurch leichter, die Kompresse abzunehmen - aber du musst gleich die Hände auf die Wunde legen. Lerche oder nicht, der Junge muss ein wenig Blut in sich behalten, wenn er überleben soll. Fertig?«
»Ja.«
Er nahm die Kompresse ab, und wie er gesagt hatte, fing die Wunde wieder an zu bluten. Seraph legte die Hand darauf und verschloss sie mit der Handfläche.
Alle warteten, selbst Seraph, aber nichts geschah.
»Versuche, dir die Heilung vorzustellen«, schlug Hennea vor. »Denk an Kissel, wie er wieder gesund ist.«
Sie versuchte es und spürte, wie sich ihre Magie rührte, aber Magie konnte nicht heilen. Sie hätte sie benutzen können, um die Wunde zu verbinden, und würde das auch tun, wenn sie ihn nicht heilen konnte - aber er war so blass und hatte zu viel Blut verloren. Wenn er statt mit einer Heilung mit Magie auskommen musste, würde er wohl sterben.
»Hennea hat teilweise recht«, sagte Lehr. »Aber hier geht es nicht um Magie. Ich habe dich und Hennea beobachtet und nehme an, dass man viel denken muss, wenn man Rabe ist. Die Jagd hingegen ist für mich beinahe etwas Instinktives. Ich schaue hin, und dann kann ich die Spur sehen. Ich muss nicht viel darüber nachdenken. Jes regt sich auf, und die Temperatur rings um ihn herum fällt. Papa fängt an zu singen, und die Leute hören mit allem auf, was sie gerade tun, um ihm zuzuhören. Lass einfach deinen Körper die Arbeit tun.«
Seraph schloss die Augen und versuchte, sich zu entspannen, aber je mehr sie sich bemühte, nicht zu denken, desto mehr dachte sie.
Tier stand auf, aber sie blickte nicht zu ihm hin, um zu sehen, was er tat. Einen Moment später war er wieder da und fing an, Laute zu spielen. Er wählte eins ihrer Lieblingslieder, ein Abendlied, mit dem er ihre Kinder in den Schlaf gesungen hatte, wenn sie zahnten oder krank waren. Die leisen Töne spülten über sie hinweg und nahmen ihr die Anspannung in Hals und Schultern. Sie ließ sich von seiner Stimme weglocken von Blut und Gefahr, zurück in ihr Heim und zu den Abenden, an denen die Arbeit des Tages getan war und sie und Tier auf der rückwärtigen Veranda saßen. Guras drahtiges Fell kitzelte an Seraphs nackten Füßen, während die untergehende Sonne die Berge rötlich färbte.
Als sie sich entspannte, rührte sich etwas an ihren Fingerspitzen, das zunächst nicht mehr als ein Flüstern war. Sie lockte es mit einem Hauch von Interesse heraus, genau, wie sie einen widerstrebenden Funken anpustete, wenn sie versuchte, auf die Solsenti -Art ein Feuer anzuzünden.
»Er hat aufgehört zu atmen.«
Das war Toarsens Stimme, belegt von Trauer.
Aber als sie mehr auf ihn achten wollte, brachte Tiers Lied sie zurück zu diesem kleinen Funken von … Heilen. Hör zu , drängte sie liebevoll und leitete ihn zu der Haut unter ihren Fingern, ich habe etwas für dich zu tun.
Feuer schoss so unerwartet durch ihre Schultern, dass sie keuchend zusammenzuckte, aber jemandes Hände umschlossen ihre Handgelenke und hielten ihre Hände auf Kissel fest. Sie öffnete die Augen und wusste, welchen Schaden Ielians Messer angerichtet hatte, obwohl das unter ihren Händen und unter Kissels Haut verborgen lag.
Die Macht der Lerche drang durch Seraphs Hände und in
Kissels Körper, reparierte erst den Schaden am Gewebe und bewegte sich dann zu kleineren Dingen. Sein Herz hatte aufgehört zu schlagen, aber als Seraphs Macht es traf, konnte es sich ihr nicht widersetzen und fing wieder an zu arbeiten.
Er hat nicht genug Blut, Mutter. Er wird ohne mehr Blut nicht leben können.
»Wer hat das gesagt?«, fragte Jes.
»Was gesagt?«, flüsterte Lehr. »Still, Jes, du lenkst sie nur ab.«
Mehalla?, fragte Seraph, unsicher, ob diese leise Stimme echt oder nur ein Ergebnis ihrer Fantasie gewesen war. Sie erhielt keine Antwort.
Wer immer es gewesen war, hatte jedoch recht gehabt. Kissel brauchte Blut, das die Lerche ihm nicht geben konnte.
Aber Seraph war keine Lerche, oder zumindest nicht nur eine Lerche. Sie ließ die rechte Hand, die mit dem Lerchenring, auf dem geschlossenen Loch in Kissels Brust liegen, dann hob sie die linke, die mit Kissels Blut bedeckt war, an die Lippen und berührte sie mit der Zunge.
Sie rief ihre Magie zu dieser Hand. Finde es, befahl sie ihr und zeigte ihr Kissels Blut. Ihre Magie nahm das getrocknete Blut aus dem Verband, von ihren Händen, von Kissels blutiger Kleidung. Noch einmal berührte Seraph ihre Zunge. Mach
Weitere Kostenlose Bücher