Rabenzauber
es so. Das trockene, tote Blut wurde sauber und wieder lebendig. Dorthin. Der Teil von ihr, der Lerche war, fand die zerstörten Blutgefäße und zeigte der Magie, wohin sie sich bewegen musste.
Seraph holte schaudernd Luft. »Lass los«, sagte sie zu Lehr, der ihre Handgelenke immer noch so fest hielt, dass man die Spuren dieser Berührung noch tagelang sehen würde. »Er braucht mich nicht mehr.«
Lehr ließ sie los, und sie zog die Hände weg. Kissels Brust sah aus, als wäre die Wunde schon Wochen alt. Seraph fand es ein wenig enttäuschend, dass überhaupt noch etwas zu sehen
war, aber dann erinnerte sie sich daran, wie Brewydd darauf bestanden hatte, dass Tiers Knie den letzten Rest der Heilung allein vollzogen, also nahm sie an, dass es wahrscheinlich in Ordnung war.
Kissel schlug die Augen auf. »Ich glaube nicht, dass ich heute aufstehen und kämpfen werde«, sagte er zu Seraph. »Aber morgen vielleicht.« Er versuchte sich hinzusetzen, schaffte es aber nicht ganz. Toarsen fing seinen Kopf auf, bevor er auf den Boden schlug. »Andererseits«, fuhr Kissel schwächlich fort, »könnte es auch noch bis nächste oder übernächste Woche dauern.«
»Ihr werdet schon wieder«, sagte Tier, der aufgehört hatte zu singen.
»Danke«, flüsterte Toarsen, und er hatte Tränen in den Augen.
»Ich habe Euch doch gesagt, ich würde niemanden mehr an diesen Mistkerl verlieren.«
»Wo ist das ganze Blut hingegangen?«, fragte Rinnie.
Seraph tätschelte Kissels nackte Schulter. »Es ist wieder dort, wo es hingehört«, sagte sie. »Versuchen wir Gura.«
Gura zu heilen war gleichzeitig leichter und so viel schwieriger - leichter, weil Seraph nun wusste, wie sie den Ring einsetzen musste, und schwieriger, weil sie müde wurde und der Hund noch schwerer verletzt war. Ielian hatte Guras Rippen gebrochen und einen Muskel an seiner Schulter vollkommen durchtrennt.
Sie war tief in die letzten Bindungen versunken, von denen die Lerche wusste, dass sie dem Hund erlauben würden, ebenso gut zu laufen wie vor der Verwundung, als jemand sie ansprach.
»Seraph?«
Sie brauchte einen Augenblick, um sich dem Heilen weit genug zu entziehen, dass sie erkennen konnte, wer es war.
»Seraph, Hinnum ist wieder da.« Tier sprach leise, aber eindringlich. »Kannst du ihm helfen?«
Seraph blickte auf und sah Hennea auf den Knien. Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie den schlaffen schwarz-weißen Vogel in den Händen hielt. »Seraph?«, fragte sie.
Seraph kam taumelnd auf die Beine, und Tier legte den Arm um sie, bis sie wieder sicherer stehen konnte. Sie kniete sich neben Hennea und legte die Hände auf die Elster.
Sie spürte, wie die Macht der Lerche über den Vogel hinwegging, aber so, wie Öl Wasser abstößt, konnte die heilende Kraft ihn nicht berühren. Seraph versuchte es noch einmal.
Diesmal erkannte sie den Unterschied zwischen Hinnum und Kissel. Alter und Magie umgaben den Körper des Zauberers und verhinderten, dass sie ihn heilte. Sie sah, dass die Veränderung, welche die Magie ohne den Filter einer Rabenweisung am Körper eines Magiers vornahm, es sehr schwierig machte, einen Solsenti -Zauberer zu heilen. Sie verstand nun, dass ein starker Solsenti -Magier eine normale Lebensspanne weit übertreffen konnte, weil seine Magie Fleisch, Sehnen und Knochen verstärkte.
»Er ist zu alt, und Magie ist zu tief in ihn eingesunken, um eine Heilung zu erlauben«, sagte Seraph erschüttert. »Ich kann nichts tun.«
Hennea strich das Gefieder der Elster glatt und sprach leise und liebevoll auf Hinnum ein. Blitzende Vogelaugen wurden matt, und Seraph konnte den Augenblick, als sein Herz aufhörte zu schlagen, genau spüren.
Dunkelheit kam näher, und Seraph blickte erschrocken auf, aber es war nur ihr Sohn. Der Hüter hockte sich neben Hennea und nahm die weinende Frau in die Arme.
»Jes könnte nicht hier sein«, sagte er. »Aber ich kann es.«
Die Elsterngestalt fiel von dem Zauberer ab, und in Henneas Schoß lag ein Kind, das nicht älter aussah als vier.
»Ach, mein armer Hinnum«, flüsterte Hennea. »Wie grausam das war! Du hast so viel für deine Magie bezahlt, mein Freund.« Sie blickte auf zu Seraph. »Als er dreihundert Jahre alt war, hörte er auf zu altern und fing an, jünger zu werden. Das war kein Problem, bis er schließlich zu jung wurde. Als ich ihn zum letzten Mal sah, hätte er in Rinnies Alter sein können - er fand das demütigend.« Sie betrachtete das Kind in ihren Armen. »Er hätte es
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