Rabenzauber
Seinen Freunden gefiel eben nicht, dass er sich mit einem Reisenden abgab. Er hätte mich früher oder später ohnehin fallen lassen.«
»Storne hat dich gegen Olbeck eingetauscht?«, fragte sie, denn sie konnte sich gut vorstellen, wie weh das ihrem Bruder getan haben musste; es gab Mädchen im Dorf, die nicht mit ihr sprechen wollten, weil ihre Mutter eine Reisende war. »Er ist dümmer, als ich dachte.«
»Im Rudel sind sie gefährlich«, sagte Jes. »Wenn Rinnie allein gewesen wäre …«
Lehr nickte ruckartig. »Wenn Papa wiederkommt, rede ich mit ihm darüber. Er wird wissen, was geschehen soll, damit niemandem etwas zustößt.« Er griff nach oben, um Jes’ Hand zu tätscheln, die immer noch auf seiner Schulter lag. »Gehen wir heim«, sagte er.
Jes ließ seinen Bruder los und las die Angelruten auf, die dort lagen, wo Lehr sie hatte fallen lassen. »Wir können immer noch angeln«, sagte er.
Rinnie schaute ihn an, aber die gefährliche Aura, die ihn umgeben hatte, war verschwunden, und er sah aus und klang wie immer, wenn man von einer gewissen Schärfe in seiner Stimme absah.
Lehr berührte vorsichtig seinen rot angelaufenen Wangenknochen. »Stimmt. Sie werden uns wohl nicht mehr belästigen. Und Mutter wird mit Gura in Sicherheit sein.« Er warf Rinnie einen Blick zu. »Du siehst blass aus.«
Rinnie lächelte ihn an und versuchte, weniger blass zu sein. »Mir geht es gut. Ma rechnet damit, dass wir Fisch zum
Abendessen haben. Du bringst immer etwas zurück; sie wird nichts anderes vorbereitet haben.«
Also gingen sie weiter zum Bach und angelten.
Seraph seufzte erleichtert. Das Geschirr, das Scheck passte, war vernachlässigt, aber das Leder war lediglich trocken und nicht gerissen. Wenn es gerissen wäre, hätten sie warten müssen, bis Tier mit Frost zurückkam, bevor sie anfingen zu pflügen.
Sie ölte das Kummet vorsichtig, bis das Leder sich butterweich anfühlte. Dann wandte sie sich dem Geschirr zu. Sie löste die Lederschnüre, die es zusammenhielten, und ölte jeden einzelnen Riemen, wobei sie sie sorgfältig auf dem frisch gefegten Boden des Sattelraums auslegte, um das Geschirr wieder zusammensetzen zu können, wenn sie fertig war. Auseinandergenommen sah es aus wie ein Haufen Lederreste.
Als sie und Tier es zum ersten Mal getrennt und geölt hatten, hatte sie schon befürchtet, sie würden es nie wieder richtig zusammenbekommen. Selbst Tier hatte beinahe nicht mehr weitergewusst. Ein Grinsen umspielte ihre Mundwinkel, und sie erinnerte sich an seinen Gesichtsausdruck, als sie ihn um Hilfe gebeten hatte. Vielleicht wäre es ihm leichter gefallen, wenn er das Geschirr selbst demontiert hätte. Schließlich hatten sie Scheck herausgeholt und es einen Riemen nach dem anderen direkt am Pferd wieder zusammengebastelt.
Scheck, der in einer offenen Box im Stall stand, schnaubte sie an. Es passte ihm nicht, wenn einer seiner Leute nahe genug war, dass er ihn sehen konnte, ihm aber nicht die Aufmerksamkeit zukommen ließ, die ihm zustand.
»Erinnerst du dich an den Gesichtsausdruck des Verwalters, als er in diesem ersten Jahr vorbeikam und die Furchen sah, die wir gepflügt hatten?« Das war nicht der jetzige Verwalter gewesen, sondern sein Onkel, ein freundlicher Mann.
»Nicht mal zwei Reihen waren auch nur annähernd gerade. Keiner von uns hatte je zuvor ein Feld gepflügt.«
Scheck wieherte ihr eine leise Einladung zu, also legte Seraph den Riemen hin und wischte sich die Hände am Rock ab, bevor sie Schecks Kopf rieb. Das dunkle Öl würde sich leichter aus ihrem Rock auswaschen lassen als von Schecks weißen Flecken.
»Wie sehr der alte Verwalter es hasste, dich im Pfluggeschirr zu sehen«, sagte sie zu dem alten Wallach. »Er wollte dich uns abkaufen. Hat zwei Pferde zum Tausch angeboten, die zur Bauernarbeit ausgebildet waren, weil er es für eine Schande hielt, dass ein hoher Herr von deiner Herkunft einen Pflug zog. Tier sagte, dass jeder gute Soldat den Krieg hasst, und du warst ein guter Soldat, also war die Arbeit auf einem Bauernhof genau das Richtige für dich.«
Sie rieb über den Wulst direkt vor Schecks Ohr und lächelte, als er den Kopf ein wenig schief legte und vor Vergnügen die Augen schloss. »Dich stört der Pflug ebenso wenig, wie mein Wagen dich gestört hat, nicht wahr?« Sie lächelte abermals. »Tier sagt, das beste Schlachtross ist eins, das tut, was man von ihm will.«
Scheck rieb den Kopf gegen sie und schob sie damit einen Schritt zurück. »Also, was
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