Rabenzauber
war die Sonne schon hinter die Berge gesunken. Es gab immer noch viel Licht, aber Seraph war froh über ihren warmen Umhang.
Auf ihre Anweisung setzten sich die Kinder in einem Halbkreis auf die Wiese und teilten das Bratbrot auf. Sie verschlangen es wie gefräßige Wölfe, sogar Lehr. Sie waren nicht sonderlich an Süßigkeiten gewöhnt.
»Ich habe euch nie viel von meiner Familie erzählt«, begann Seraph abrupt.
»Sie waren Reisende«, sagte Rinnie. »Alle bis auf deinen jüngsten Bruder Ushireh starben an der Pest, die ein Reisender mitbrachte, den sie für die Nacht aufgenommen hatten. Und als Ushireh umgebracht wurde, rettete Papa dich; da warst du ein klein wenig jünger, als Lehr und Jes jetzt sind. Und du hast die Bäckerei explodieren lassen, und Papa behauptete, ihr wäret miteinander verheiratet, bevor ihr es wirklich wart, damit er dich noch einmal retten konnte. Und ich weiß auch etwas über die Zaubererahnen. Sie beschworen den Pirschgänger herauf, und dann töteten sie alle, die in der Stadt lebten, um ihn gefangen zu nehmen. Aber es funktionierte nicht so gut, wie sie gehofft hatten. Also mussten die Reisenden von dieser Zeit an das Böse bekämpfen, das von dieser Stadt ausgeht.«
Seraph lachte. »Stimmt. Aber es gibt noch mehr, was ich euch sagen sollte.« Sie sah alle nacheinander an. »Ihr solltet wissen, dass dies meine Entscheidung war und nicht die von Tier. Ich wollte nicht, dass ihr zu viel von meinen Leuten wusstet.
Ich wollte, dass ihr ins Dorf eures Vaters passtet, aber … aber es gibt Dinge, die ihr wissen müsst.«
Sie holte tief Luft. »Ihr wisst, dass ich eine Magierin bin.«
»Aber du wirkst keine Magie, Ma.« Rinnie klang, als beschwerte sie sich. »Tante Alinath sagt, es gibt keine Magier, nur Leute, die gut dabei sind, andere Leute Magie in etwas sehen zu lassen, was bloß ein guter Trick ist.«
Jes fing an zu lachen. Es war nicht sein übliches, kehliges, heiteres Lachen, sondern etwas Tieferes, Freudloses.
Rinnie blickte zu ihm auf und rutschte ein wenig von ihm weg.
»Jes, sie kann nichts dafür«, tadelte Seraph freundlich, bevor sie Rinnie ansah. »Ich fürchte, eure Tante irrt sich - und sie weiß es auch besser. Sie war dabei, als ich die Bäckerei explodieren ließ - und euer Vater ebenfalls. Und trotz allem, was ihr gehört habt, sind nicht alle Reisenden Magier und nicht alle Magier Reisende.«
»Erinnerst du dich an die Geschichten, die Papa uns manchmal erzählt hat, Rinnie«, fragte Lehr, »über die Magier in der Armee?«
»Ja«, stimmte Seraph zu. »Aber ich bin eine besondere Art von Magier - ein Rabe.«
Kühle Macht glitt über Seraphs Haut wie das Streicheln eines Liebenden, als sie ein magisches Feuer auf ihrer Handfläche entfachte. Als die Magie sich stabilisierte, nahm sie Lehrs Hand und schob das Licht in seine Hand, wo es fröhlich weiterflackerte.
»Lasst mich vorn anfangen«, sagte Seraph. »Es war einmal eine große Stadt voller Zauberer, die in ihrer Macht sehr überheblich waren. So blind waren sie in ihrem Stolz, dass sie ein schrecklich böses Wesen heraufbeschworen, den Pirschgänger. Um dieses Übel wieder zu beherrschen, opferten sie die gesamte Stadt, alle Bürger, die keine Zauberer waren, Männer,
Frauen und Kinder - auch ihre eigenen Frauen, Männer und Kinder.«
Sie holte tief Luft und schloss die Augen, versuchte sich zu erinnern, wie ihr Vater diese Geschichte immer erzählt hatte, damit sie nichts ausließ. »Als die Zauberer die Stadt opferten, um den Pirschgänger zu binden, tötete die Magie alle bis auf ein paar der mächtigsten Magier und die meisten der Schwächeren. Den Überlebenden blieb buchstäblich nichts weiter als die Kleidung, die sie am Leib trugen. Zuerst dachten sie, das würde genügen, aber die Welt ist nicht gut zu Menschen, die keine Heimat haben. Im Lauf der Jahre wurde ihr Volk weniger, und die überlebenden Zauberer von Colossae diskutierten, was sie tun sollten.«
Sie lächelte ein wenig grimmig. »Sie waren immer noch überheblich in ihrem Wissen und ihrer Macht, obwohl sie ihre Stadt im Tod verschlossen hinter sich gelassen hatten, und sie wollten sich immer noch in alles einmischen. Der Pirschgänger war gefangen, aber im Lauf der Zeit würden sich die Gitter seines Gefängnisses lockern. Die Zauberer kamen also zu dem Schluss, dass ihre Nachfahren, die kein Colossae mehr hatten, was sie nährte und bildete, nicht imstande sein würden, sich gegen das Wesen zu stellen, das sie geschaffen
Weitere Kostenlose Bücher