Rabenzauber
können, um die Tür aufzubrechen - aber das war wohl sehr unwahrscheinlich.
Er reichte seiner Gastgeberin die Laterne zurück und ließ sich weiterführen.
Der Flur machte noch eine scharfe Biegung und endete vor einer Doppeltür. Kurz vor diesem Ende gab es noch eine Tür auf jeder Seite. Es war die linke, die die Frau öffnete, und sie trat zurück, um ihn vorgehen zu lassen.
Dampf und das Geräusch fließenden Wassers kamen aus der geöffneten Tür, also war Tier nicht überrascht, dahinter einen Baderaum zu finden. Er wusste, wie so etwas aussah, weil der Sept von Gerant in seinem Baderaum Besprechungen mit seinen Offizieren abgehalten hatte - er sagte immer, das Geräusch des Wassers verhindere, dass jemand sie belauschen könnte. Aber Gerants karg eingerichteter Raum hatte mit dem, der nun vor Tier lag, so viel zu tun wie ein Esel mit einem Streitross. Eine goldene Wanne, so groß, dass fünf oder sechs Personen hineingepasst hätten, war randvoll mit heißem, dampfendem Wasser, und daneben stand ein hoher Tisch mit unterschiedlichen Seifen und Tiegeln mit Ölen. Aber der beeindruckendste Teil des Raumes war zweifellos das kalte Becken.
Wasser lief aus einer Öffnung in der Decke über ein Sims aus bearbeiteten Steinen, wo es sich ausbreitete und
wie ein Vorhang zu dem taillenhohen Becken darunter stürzte. Dass es taillenhoch war, sah Tier deshalb, weil zwei nackte, verängstigte und offensichtlich frierende Frauen darin standen.
»Ssst!«, zischte seine Führerin plötzlich verärgert. »Ihr tut, als solltet ihr eure Tugend noch einmal verlieren. Sieht der hier aus wie ein Mann, der Frauen wehtut?«
Dann senkte sie ihre Stimme zu einem Samtton und wandte sich wieder Tier zu. »Ihr vergebt ihnen sicher. Unser letzter Gast war nicht besonders froh über seine Gefangenschaft und hat es an denen ausgelassen, die nichts damit zu tun hatten.«
Tier lachte ehrlich amüsiert. »Nach diesen Worten würde ich mich wirklich wie ein dummer Junge fühlen, wenn ich so etwas versuchte.«
Im helleren Licht des Baderaums konnte er sehen, dass Myrceria mehr als nur schön war - sie war faszinierend, eine Frau, die die Blicke der Männer auch noch anziehen würde, wenn sie achtzig war. Im Geist schlug er noch etwas auf ihren Preis auf. Wieso bot man ihm also einen solchen Dienst an? Der Gedanke wischte das Lächeln von seinen Lippen.
»Ich soll mich also waschen, bevor ich vorgestellt werde, wie?«, fragte er lässig.
»Wir werden das für Euch erledigen, wenn Ihr gestattet«, antwortete sie und senkte demütig den Kopf. »Wenn Ihr fertig seid, gibt es hier saubere Kleidung, um die zu ersetzen, die Ihr jetzt tragt. Es geht nur um Eure Bequemlichkeit. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr auch bleiben, wie Ihr seid, und ich führe Euch sogleich weiter. Ich dachte, Ihr würdet es vorziehen, nicht im Nachteil zu sein.«
»Nachteil, wie?« Er warf einen Blick auf seine Kleidung. »Wenn sie einen Mann am Ende einer dreimonatigen Jagd entführen, haben sie es eigentlich nicht besser verdient. Ich werde
mich waschen, aber Ihr Damen solltet lieber verschwinden, oder meine Frau wird meinen Kopf verlangen.«
Die Frauen im Becken kicherten, als hätte er etwas Geistreiches gesagt, aber sie warteten auf eine Geste von Myrceria, bevor sie aus dem Becken stiegen. Sie wickelten sich in je eines der Badetücher, die gefaltet auf einer Bank lagen, und verließen den Raum durch dieselbe Tür, durch die er hereingekommen war.
»Ihr ebenfalls, Mädchen«, sagte er zu seiner Führerin. »Der Adlige, dem Ihr dient, lässt sich beim Waschen vielleicht gerne helfen, aber wir Rederni können das durchaus selbst erledigen.«
Sie verbeugte sich lächelnd, ging und schloss die Tür hinter sich. Er hatte draußen keinen Riegel bemerkt, aber er hörte ein Klicken, das nichts anderes sein konnte, also machte er sich nicht die Mühe, die Tür zu versuchen. Der Wasserfall war interessanter.
Vier Schritte später hatte er Halt am untersten Sims gefunden und konnte den Rest relativ einfach zurücklegen. Er fand die Öffnung, durch die das Wasser hereinkam, aber sie war mit eingemauerten Eisenstäben vergittert.
Er kletterte wieder zurück und sprang mitsamt seiner schmutzigen Kleidung in das kalte Wasser. Er hatte nicht erwartet, wirklich auf diesem Weg fliehen zu können, aber er musste wissen, womit er es zu tun hatte. Irgendwann würde er einen Ausweg finden - und in der Zwischenzeit brauchte er nicht schmutzig zu bleiben.
Zunächst wusch er die
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