Rabenzauber
Kleidung, die er getragen hatte, dann warf er sie in die wartende Badewanne mit dem heißen Wasser, wo er sowohl sich selbst als auch seine Sachen einseifen würde, wenn er im kalten Becken fertig war.
Das kalte Wasser lief ihm übers Gesicht und verhalf ihm zu einem klareren Kopf und klareren Gedanken, während er den Dreck von sich abkratzte.
Er hatte nicht gehört, dass jemand hereingekommen war, aber als er unter dem Wasserfall hervorkam, wartete saubere Kleidung auf ihn.
Er ignorierte sie, setzte sich in die Wanne mit dem heißen Wasser, seifte sich ein und tat dann das Gleiche mit seiner Kleidung. Dann spülte er die Sachen im kalten Becken ab und hängte sie so gut er konnte auf. Nun fror er, also trocknete er sich ab und untersuchte die Kleidung, die sie bereitgelegt hatten.
Die Sachen waren brauchbar, ganz ähnlich wie die, die er ausgezogen hatte, nur weniger abgetragen. Er betastete das Hemd nachdenklich, bevor er es anzog. Die Lederstiefel passten ihm so gut wie seine alten, die er irgendwann während der Gefangenschaft verloren hatte.
Als er die Stiefel zuschnürte, kehrte seine Führerin zurück - die Zeiteinteilung war zu exakt, als dass sie es geraten haben konnte. Jemand hatte ihn beobachtet, und er hoffte, das Theater hatte ihnen gefallen. Sie hielt ein Tablett mit einem Kamm und einer schlichten Silberklemme und streckte es ihm hin. Er fuhr sich mit dem Kamm durchs Haar und band es zu einem Zopf, den er mit der Klemme schloss.
Dann drehte er sich einmal um, damit sie sich das Ergebnis ansehen konnte, und sie nickte. »Das wird genügen. Wenn Ihr mir jetzt folgen würdet? Der Meister erwartet Euch.«
»Meister?«, fragte er.
Aber sie hatte ihm alles gesagt, was sie verraten wollte. »Kommt«, sagte sie und führte ihn wieder in den Flur.
Die Doppeltür am Ende des Flurs stand diesmal offen, und ein Hauch von Rauch trieb in den Flur, zusammen mit unrhythmischem Trommelschlag und dem Summen von Gesprächen. Aber Tier hatte nur einen Herzschlag lang, um hineinzuschauen und einen Blick auf einen großen Raum mit Tischen und Bänken zu erhaschen, bevor die Frau die Tür direkt gegenüber dem Baderaum öffnete und ihn hineinwinkte.
Was die Größe und den Mangel an Fenstern anging, erinnerte der Raum an die Zelle, in der sich Tier befunden hatte, obwohl der Steinboden hier mit einem fest gewebten Teppich bedeckt war, der sich unter seinen Füßen weich anfühlte. Zwei passende Behänge zierten eine Wand. Die einzigen Möbel waren zwei bequem aussehende Stühle und ein kleiner runder Tisch.
Auf einem der Stühle saß ein Mann in einem schwarzen Samtgewand, der an einem Kelch nippte. Er war vielleicht zehn Jahre älter als Tier und hatte die Züge eines Adligen aus dem Osten: breite Wangen und eine flache Nase. Wie sein Gesicht gehörten auch seine Hände einem Aristokraten, waren schlank und mit Ringen bedeckt.
Er blickte auf, als Tiers Führerin leise hüstelte.
»Ah, danke, Myrceria«, sagte er freundlich und stellte den Kelch auf den Tisch. »Das war alles.«
Die Tür schloss sich leise hinter Tiers Rücken, und die beiden Männer waren allein im Zimmer.
Der Mann im Gewand faltete die Hände nachdenklich unter dem Kinn. »Ihr seht nicht aus wie ein Reisender, Tieragan aus Redern.«
Ein Reisender?
Tier zog eine Braue hoch und setzte sich auf den leeren Stuhl. Er war ein bisschen niedrig für ihn, also streckte er die Beine aus und kreuzte die Fußknöchel. Als er bequem saß, sah er den Mann an, der wahrscheinlich für seine Gefangennahme verantwortlich war, und sagte höflich: »Und Ihr seht nicht aus wie eine Eiterbeule am Hinterteil einer Schnecke. Äußerlichkeiten können trügen.«
Das Gesicht des anderen Mannes änderte sich nicht, aber Tier spürte ein Aufwallen von Macht, von Magie - genau, was er erwartet hatte.
Die Magie verging wieder, und der Zauberer lächelte. »Ihr
seid wirklich verärgert, wie? Wir sollten uns vielleicht dafür entschuldigen, dass wir Euch eingeschlossen haben, aber es ist lange her, dass wir uns einer Eule bemächtigen konnten. Wir mussten sicher sein, dass wir Eure Magie eindämmen konnten, bevor wir Euch freiließen.«
Seine Magie eindämmen?
»Ihr scheint viel über mich zu wissen«, stellte Tier fest. »Möchtet Ihr mir das Vergnügen bereiten, mir auch etwas über Euch zu verraten?«
Der andere Mann lachte. »Ihr müsst mich entschuldigen - Ihr seid nicht ganz, was ich erwartet hatte. Ich bin Kerstang, Sept von Telleridge.«
Tier nickte.
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