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Rabinovici, Doron

Rabinovici, Doron

Titel: Rabinovici, Doron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anderrnorts
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doch
ausdrücklich geschrieben, über seine Motive nicht befinden zu wollen.«
    Eben, sagte Marker und lachte
kurz, sah sich dann um und meinte, Klausinger sei unter jenen, die sich für die
Professur am Institut beworben haben. Zwar nur unter ferner liefen, aber nun
sei er doch Ethans Konkurrent. Marker klopfte ihm nach diesen Worten auf die
Schulter und wandte sich ab.
    Viele sprachen ihn auf den
Artikel an, und so wunderte er sich nicht, als auch Esther Kantor anrief, um
ihn noch einmal zu ihrem Open House einzuladen und ihm zu versichern, wie sehr
sie ihn in seinem Standpunkt gegen Klausinger und jenen Israeli, den er
zitiere, unterstütze. Seine Mutter hatte er in all der Aufregung vergessen,
dann erreichte er sie zu Hause nicht. Am Abend wählte er endlich ihre
Mobilnummer. Sie meldete sich mit einem Flüstern. Sie seien eben zu Besuch bei
Bekannten. Es gehe ihnen gut. Vater sitze neben ihr. »Wolltest du etwas von
mir?« fragte Ethan. Sie werde am nächsten Tag von sich hören lassen.
    Am nächsten Morgen las er
Klausingers Replik im Cafe. Sie war unter dem Titel Zweierlei Rosen erschienen. Klausinger führte
darin nicht nur aus, von wem die Zitate in seinem Nachruf stammten. Da er
unsicher gewesen war, ob es sich bei dem Autor des hebräischen Artikels um den
Soziologen gleichen Namens an dem Wiener Institut handle, und weil er und Ethan
sich um dieselbe Stelle beworben hatten, sei es ihm richtiger erschienen, den
Namen seines nunmehrigen Kontrahenten nicht zu nennen, um Persönliches nicht
mit Inhaltlichem zu vermischen. Nun aber sehe er sich gezwungen, sein Schweigen
zu brechen. Rosen vertrete in dem einen Land eine andere Meinung als im
zweiten. Vielleicht gehe es ihm gar nicht um Meinungen und Anschauungen,
sondern bloß darum, einen Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen. Zum Abschluß
führte Klausinger nochmals Ethan an, der in der israelischen Zeitung davor
gewarnt hatte, den Vorwurf des Antisemitismus vorschnell und allzu oft zu
verwenden. Schön wär's, meinte Klausinger, hielte sich Ethan Rosen an seine
eigenen Ratschläge.
    Im Institut sah er Wilhelm
Marker in sein Zimmer verschwinden. Später, als er in der Bibliothek nach
einem Buch suchte, war ihm, als werde er von den anderen, die zwischen den
Regalen saßen, zwei Studenten, einem Assistenten und einer Kollegin,
beobachtet. Am Nachmittag rief Sammler an. Die allgemeine Aufregung habe selbst
ihn überrascht. Massenweise Kommentare und Leserbriefe seien eingelangt. Ein
Germanist weise nach, daß Klausinger traditionelle Begrifflichkeiten des Judenhasses
verwende. In einer Reihe von Texten werde dargelegt, wie wichtig Erinnerung und
Gedenken seien. Die meisten aber warfen Ethan vor, er schwinge die
Antisemitismuskeule gegen Klausinger, gegen Osterreich, gegen die Islamisten,
gegen die ganze Welt. Und einer fragte, ob Ethan nicht bloß deshalb von der
österreichischen Vergangenheit rede, um von der palästinensischen Gegenwart zu
schweigen.
    Er verließ das Institut früher
als sonst. Ein Frühsommerregen hatte eingesetzt. Menschen rannten an ihm
vorbei, drückten sich an Wänden entlang, flüchteten in Hauseingänge und unter
Arkaden. Er trottete durch die Tropfen. In einer Ecke, von einem Baugerüst
beschirmt, saß eine Frau, eine Osteuropäerin im derben weiten Rock, barfuß mit
bloßen, verschwollenen Beinen. Sie leierte vor sich hin, kein Satz, kein Wort
war zu verstehen, nur ein Wimmern drang zu ihm hoch. Die Nässe hatte ihre Kleider
erreicht, wanderte den Stoff hinauf.
    Die Stelle war für ihn
ausgeschrieben worden, das Profil war ein Portrait seiner Fähigkeiten. An
seiner Bestellung hatte kein Zweifel bestanden. Aber nun schien ihm alles
verändert. Wie war es möglich, daß er mit einem einzigen Artikel womöglich
seine Chancen verspielt hatte? Niemand hatte Klausinger vor der
Auseinandersetzung beachtet. Ethan selbst hatte die Aufmerksamkeit auf ihn
gelenkt. Es war doch Klausinger, der ihn zitiert hatte, ohne seinen Namen zu
nennen. Wieso traf Ethan der Verdacht, den Mitbewerber in die Falle gelockt zu
haben? Klausinger hatte das Institut ins Spiel gebracht. Nicht er. Warum
richteten sich nun alle Vorwürfe gegen ihn?
    Früher, in den Sechzigern, als
kleiner Bub in dieser Stadt, war ihm zuweilen ein merkwürdiges Wohlwollen
entgegengeschlagen. Manche, die seine Eltern zu verachten schienen, respektierten
ihn, weil er ein junger Sabre war, kein Ghettojude, sondern einer jener
Israelis, die sich nichts mehr gefallen ließen. Aber längst

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